Mittwoch, 18. Mai 2011
Tour d'Afrique
Die Tour d’Afrique ist das längste Radrennen der Welt. 63 abenteuerlustige Sportler fahren derzeit von Kairo nach Kapstadt. Gerade war Halbzeit in Tansania.
Knapp 12.000 Kilometer, 95 Renn- und nur 23 Ruhetage. Das ist die nackte Statistik der Tour d’Afrique, die am 15. Januar in Kairo gestartet wurde und am 14. Mai in Kapstadt ihr Ziel erreichen wird. 10 Länder werden die Fahrer dann durchquert, dabei Abenteuer erlebt und persönliche Grenzen überwunden haben. Mitten drin auch Hardy Grüne, Fußballbuchautor aus Deutschland und seit Jahren ambitionierter Hobbyradler. Der 48-jährige Göttinger nimmt sich mit diesem ungewöhnlichen Urlaub eine Auszeit aus dem Alltag. „Ich brauchte mal einen richtigen Break in meinem Leben“, sagt Grüne. Man bezahlt dafür, dass man täglich mindestens 123km auf dem Rad sitzen und den afrikanischen Kontinent auf Geröllpisten, Sandwegen oder mit Schlaglöchern übersäten Asphaltstraßen durchqueren darf. Es gibt drei Mahlzeiten am Tag, dazu reichlich Powerriegel. Das Gepäck wird im Truck transportiert, aber sein Zelt muss man auch nach regennassen 8 Stunden im Sattel selber aufbauen. Privatsphäre gibt es keine, meistens kein fließend Wasser und Toiletten sind ein Luxusgut. „Man kann sich nicht vorbereiten. Man kann auf dem Rad trainieren, ins Fitness-Studio gehen, lernen, sein Rad zu flicken. Aber auf die Erlebnisse, die man hier erfährt, kann man sich weder mental noch körperlich vorbereiten“, zieht Hardy Grüne sein persönliches Fazit nach zwei Monaten im Sattel. Bevor es nun im tansanischen Mbeya drei Tage Urlaub von den Strapazen gab, begann auch die Regenzeit. „Acht Tage Off-Road, nur Schlamm und Regen. Das alleine reicht eigentlich schon. Aber wenn du dich dann nicht mal waschen kannst, geschweige denn auch nur noch ein trockenes Kleidungsstück besitzt, dein Zelt durchgeweicht ist, dann hat man seine persönlichen Grenzen schnell erreicht.“
Organisiert wird die Reise von einem kanadischen Unternehmen. Die „Tour d’Afrique LTD“ startete 2003 die erste Tour in Kairo mit 33 Teilnehmern. Seitdem hat sich die Firma stetig vergrößert und bietet auch andere außergewöhnliche Radreisen an. Bei der Afrikatour sind sechs Festangestellte und zahlreiche Helfer dabei. Neben einem LKW, der außer dem Gepäck der Fahrer auch Verpflegung und Räder transportiert, sind einige Kleinbusse im Aufgebot. Zudem gehören ein Arzt und ein Mechaniker zum Team. „Die Organisatoren sehen sich als Hilfesteller“, sagt Grüne. „Wir müssen uns um alles selber kümmern, haben aber die Möglichkeit, uns bei Fragen ans Team zu wenden. Wenn mein Rad kaputt ist, dann stellen sie mir das Werkzeug, reparieren muss ich es alleine, es sei denn, ich komme wirklich nicht weiter. Auch um die Visa musste sich jeder Teilnehmer selber kümmern. Wir können uns aber darauf verlassen, dass es drei Mahlzeiten am Tag gibt, und die schmecken ausnahmslos grandios“, erzählt er weiter. „Und es gibt natürlich auch ein gutes Gefühl, wenn du vor Erschöpfung nicht weiterfahren kannst und weißt, irgendwann kommt halt noch der Besenwagen und du kannst dich einfach ins Camp fahren lassen.“
Gestartet wird jeden Morgen um sechs Uhr – wegen der Hitze. Wenn dann am frühen Nachmittag das Camp erreicht ist, wird die restliche Tageszeit zum Radputzen und Regenerieren verwendet. „Der Abend ist früh zu Ende, um acht schlafen alle schon“, berichtet Grüne.
Die Teilnehmer der Tour d’Afrique kommen von überall her. Von den 63 Startern sind 28 für das eigentliche Rennen gemeldet. Alle anderen fahren zeitlos. Jede Etappe wird gewertet, zusätzlich gibt es Einzelzeitfahren und Bergpreise. Besonders heiß ist jeder Teilnehmer auf den Gewinn des „EFI“. Aus dieser Wertung, jeden Zentimeter der Tour („Every Fabulous Inch“, im Camp nur „Every Fucking Inch“ genannt) geradelt zu sein, sind mittlerweile aber die Hälfte der Fahrer schon ausgeschieden. Körperliche Schwächen oder Materialschäden zwangen viele, zumindest eine Etappe vorzeitig zu beenden oder einfach mal einen Tag im Truck mitzufahren. Zu gewinnen gibt es am Ende der Tour nichts. Zwar werden in einer feierlichen Abschlusszeremonie Kapstadt die Gesamtsieger Männer/Frauen gekürt, ebenso der schnellste Etappenfahrer und der Gewinner/in des EFI. Aber außer einer Urkunde und einem Trikot für jeden Teilnehmer gibt es keinerlei materiellen Gewinn. Das Abenteuer an sich ist für jeden Fahrer die größte Belohnung.
Hardy Grüne kommt durchnässt ins Camp. „Das war der härteste Tag in meinem Leben“, sagt er. „Wieder einmal. Das habe ich in den letzten Wochen schon so häufig gesagt. Aber ich werde es vermissen. Morgens mit der Schaufel hinters Zelt zu gehen, um mein Geschäft zu verrichten, dass mir der Hintern schmerzt, dreckige Klamotten. Freuen tue ich mich jetzt allerdings schon auf das erste Fußballspiel meiner Göttinger 05er und meine heimische Radstrecke.“
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