Samstag, 7. Juli 2012

Gedanken zur Tour de France

Die Tour de France ist seit einigen Tagen in vollem Gange. Sicherlich vermisst ihr schon meine Geschichten abseits der Strecke und die historischen Reportagen. Ich bin in diesem Jahr ein bisschen Tour-Müde... Nein, das liegt nicht an der Faszination des Rennens oder an meiner Liebe zum Radsport. Im Gegenteil. Es liegt daran, wie die Tour de France in den Medien behandelt wird. Und einmal mehr bin ich froh, mittlerweile in der Schweiz zu Hause zu sein und nicht mehr in Deutschland. Dennoch kann ich mich nicht davor wehren, den einen oder anderen Blick in die deutsche Medienlandschaft zu werfen. Ich bin in diesem Jahr erstmals seit sechs Jahren nicht im Tourtross als Journalistin dabei. Das macht mich sehr traurig. Einerseits, weil die Zeit während der Tour für mich immer etwas ganz grossartiges war, mit Begegnungen, die Bleibendes hinterliessen, mit angenehmen Stress, mit der Freiheit einfach durch dieses grosse und schöne Land zu fahren und irgendwo sein Zelt aufzuschlagen. Ich hatte immer das Privileg, nicht tagesaktuell schreiben zu müssen, sondern die Faszination der Tour de France ausfindig zu machen und darüber zu schreiben. Oder historische Ereignisse heraus zu kramen über sie zu schreiben, Menschen zu treffen, die die Tour ausmachen und sie zu interviewen. Das ist die eine Seite. Die andere Seite macht mich ebenso traurig: Es lassen sich keine Artikel mehr verkaufen. Die Medien schreien nach Sensationen und neuen Enthüllungen und jeglicher, auch historischer, Artikel soll mit negativen Fakten bearbeitet werden. Das ist nicht meine Welt. Und es sollte nicht die Welt der deutschen Medien sein. Sportjournalismus bedeutet auch Objektivität zu bewahren, den Menschen Spass und Leidenschaft an verschiedenen Sportarten vermitteln. Ich bin mit voller Leidenschaft Radsportfan. Egal ob es die Tour de France ist, Bahnradsport oder Radquer. Ich habe immer versucht meine Leidenschaft, meinen Blickwinkel auf das Ereignis den Lesern näher zu bringen, habe versucht Ihnen den Sport zu vermitteln, den Einsatz der Akteure und deren Kampfgeist. Mit meinen Radsportbüchern wollte ich Fans erreichen und Ihnen auch ein Stück Geschichte (Enzyklopädie Tour de France) schenken, oder Sie teilhaben lassen an meinem „Tour- und Streckenwissen“ (Reiseführer Tour de France). Die Begegnungen mit Menschen, die mit dem Reiseführer jährlich durch Frankreich reisen, die waren immer wunderbar und viele Kontakte halten sich schon seit vielen Jahren. Der Radsport hat nicht verdient, was die deutschen Medien mit ihm machen und das schreibe ich als Fan. Die Akteure haben den Sport beschädigt. Aber die Akteure selber sind es auch, die seit Jahren unermüdlich alles tun, um das angeschädigte Image wieder positiv da stehen zu lassen. Von den Medien bekommen sie aber keinerlei Unterstützung. Das einige Fahrer keinerlei Interviews mehr geben, dass ist meiner Meinung nach voll nachzuvollziehen, absolut verständlich und auch der richtige Weg. Keiner der Jungs hat es verdient, dass man sie immer wieder aufs neue durch den Kakao zieht. Das Leben eines Radprofis können wir als Aussenstehende nur schwer nachvollziehen, dennoch erlauben wir uns, darüber zu urteilen. Für mich ist es ein Spiegel der deutschen Mentalität, besonders im Sportjournalismus. Immer bei anderen suchen, immer mehr fordern, anstatt einfach mal vor der eigenen Haustür anzufangen. Die Schreiberlinge vieler unschöner Zeilen sind vermutlich die Ersten, die sich bei einem Schnupfen krankschreiben lassen und von Ihrem Hausarzt unzählige Medikamente verschrieben bekommen. Wenn die Deutschen einen guten Fahrer haben (was heisst gut? Wir haben unzählige bombastische Fahrer!!!), dann wir d sicher auch wieder die Deutschland-Tour stattfinden und andere Radsporthighlights aus dem Boden gestampft. Ich hoffe sehr, dass all unserer Radsportler irgendwann in der Lage sein werden, dann von sich aus zu sagen „Nein, ich bin nicht dabei“. Wir haben unzählige tolle Fahrer in Deutschland. Im Breitensport explodiert der Radsport förmlich. Und, bekommt das jemand mit??? Bei all den negativen Geschreibe in den Medien wird der eigentliche Fokus vergessen. Wird auch vergessen, was ein Sportjournalist transportieren soll mit seiner Arbeit. Wenn es eine Generation gibt, die es sich zum Ziel gemacht hat, aus jedem klitzekleinen Furz eine riesige Sensation zu machen: Bitte. Aber die jüngere Generation sollte den Kodex des Journalismus noch verinnerlicht haben und eine andere Richtung einschlagen. Das die älteren Fahrer müde sind, mit den Medien zu sprechen, dass kann man Ihnen wie gesagt nicht verübeln. Die Jüngeren, die sollte man pflegen, die sollte man pushen und beglückwünschen. Und wir Sportjournalisten sollten genau DAS als unsere Pflicht ansehen. Der Radsport ist dabei sich selber zu heilen. Akteure stehen in der ersten Reihe und kämpfen. Menschen mit Idealismus und Leidenschaft stehen dahinter und kämpfen. Trainer in Breitensportvereinen kämpfen, jeder Hobbyradler kämpft irgendwie. Und alle gemeinsam fahren sie immer wieder gegen die Wand der deutschen Medien. Der Radsport ist nicht tot. Und ich weiss einfach nicht, wie Journalisten darauf kommen, die derzeit täglich mit dem Tross von A nach B durch Frankreich rollen. Habt Ihr die Augen zu??? Im Radsport gibt es keine Rivalität wie in zahlreichen anderen Sportarten. Egal bei welchem Rennen man ist: es ist ein Fest. Ein Fest der Nationen, ohne jegliche Gewalt oder grössere Polizeieinsätze. Trotz Sprachbarrieren finden sich Freunde, schliesst man Kontakte und feuert gemeinsam die Fahrer an! All das Geld, das in sinnlose Polizeieinsätze, in Ordnungskräfte oder die Sicherheit bei anderen Sportarten gesteckt wird, das gibt es bei einem Radrennen nicht. Die Stimmung an der Strecke ist einzigartig. Der Radsport lebt. Er lebt globaler als jemals zu vor. Nur in Deutschland bekommt es wohl keiner mit. Um weiter meinen Teil dazu beizutragen wird es in den kommenden Wochen hier wieder Artikel geben. Artikel, die ich Redaktionen und Zeitungen anbiete/angeboten habe, und die freundlich abgelehnt werden... Zu den Akteuren: Chapeau Jungs!!! Ihr seid wahnsinnig, einzigartig und super. Danke, dass Ihr nicht aufgebt, dass Ihr Euch durch Hitze und Kälte quält, euch nass regnen lasst, dass Ihr nach Stürzen immer wieder aufs Rad steigt! Danke, dass Ihr diesen Sport zu dem macht, was er ist: Leidenschaftlich, spannend, verrückt und immer faszinierend!! PS: Morgen schrei ich Euch mal wieder als Fan an, also Achtung, ich stehe am Col de la Croix :-)

Samstag, 9. Juni 2012

Tour de Suisse olé

Gerade das Nachtlager auf dem Simplonpass aufgeschlagen. Es regnet, aber die Temperaturen sind ok und werden die Nacht im Auto aushalten lassen. Schön war es in Lugano! Fabian wurde von Peter Sagan geschlagen, aber die Schweizer haben sich am Prologtag der Tour de Suisse bestens platziert. Pünktlich zum Start kam in Lugano die Sonne raus, als William Routley um 14.26 Uhr als Erster von der Rampe rollte. Ein Etappenrennen ist am ersten Tag immer auch ein Wiedersehen mit Bekannten und Kollegen, so war es auch heute. Die Stimmung im Medienzentrum ist immer entspannt, man hat eben Zeit um einen Plausch zu halten. Auch auf dem Parkplatz der Teambusse ist keine Hektik zu verspüren. Heute werden die Karten erstmal gemischt, morgen wissen wir auf wenn man Acht geben muss. Wir haben uns heute vorzugsweise bei den Teambussen aufgehalten. Die Speicherkarten der Kameras sind voll und werden nun noch verarbeitet. Mitten im Nirgendwo. Einsam auf dem Simplonpass. Morgen geht es Richtung Verbier. Voraussichtlich werden wir uns einen schönen Platz kurz vor dem Ziel suchen, um dann den Abend in Martigny zu verbringen.