Donnerstag, 24. November 2011

Tour of Ruanda

Gerade läuft die Tour of Ruanda. Die Rundfahrt findet zum drittten Mal statt und führt über neun Etappen und gut 1000 Kilometer durch das Land. Eingestuft in die Kategorie 2.2 gehört es zur UCI Africa Tour.
Wer mehr wissen möchte oder das rennen verfolgen möchte, schaut hier :-)

http://en.tourofrwanda.com/

Dienstag, 22. November 2011

TdF 1907: Die ersten Wasserträger



Dieser Artikel stammt aus meiner Enzyklopädie Tour de France
Die Tour de France feierte schon den fünften Geburtstag. Das hätte sich henri Desgrnage wohl auch nicht träumen lassen, dass die Rundfahrt von Jahr zu Jahr mehr Unterstützung und Aufmerksamkeit erhielt. Neben unzähligen Fans, die im gesamten Land den Fahrern Respekt zollten, berichteten in diesem Jahr auch erstmals die großen französischen Tageszeitungen ausführlich über die Tour. Damit hatte sich die "Grande Boucle" endlich als sportliches Großereignis etabliert.
Roubaix, Metz und Belfort wurden 1907 als neue Etappenstädte begrüßt. In Metz, wo es schon 1906 eine eindrucksvolle begeisterte Demonstration der französischen Bevölkerung gab, wurde nun eine Feier veranstaltet, wie man sie sonst nur am franzsösichen Nationalfeiertag zu sehen bekam. Die ganze Stadt war in den Landesfarben geschmückt, und die Häusergiebel zierten hunderte von Fahnen. Positive Neuerung war in diesem Jahr die Einführung eines Pannenautos.
Nach dem tragischen Tod von René Pottier im Januar 1907, wurde Lucien Petit-Breton als Favotrit gehandelt. Bereits im Vorjahr hatte der kleine gebürtige Argentinier gezeigt, dass er ein heißer Anwärter auf den Gesamtsieg war. Am Start konnten die Organisatoren einen richtigen Paradiesvogel empfangen, der den Radsport nachhaltig prägen sollte. Der Adlige Henri Pépin de Gontaud wurde vom Tourfieber infiziert und hatte den Traum, die Rundfahrt zu gewinnen. Nun war er allerdings kein Radprofi...Er engagierte sich kurzerhand zwei, später dann drei Fahrer, die ihn während dem Rennen unterstützen sollten. Und das taten sie auch einsatzfreudig. Sie schoben ihren "Kapitän", holtem ihm frisches Wasser und stärkten ihn auch Mental. Trotz ihren unermüdlichen Einsatzes reichte es bei Pépin aber nicht zum Gesamtsieg. Er gab vollkommen erschöpft nach der fünften Etappe auf. Mit seinem Fahrerengagement allerdings waren bei der Tour de France die ersten Domestiken im Einsatz, die es ab sofort regelmäßig zu sehen gab und die für ein team unersetzbare Begleiter wurden.
Einzigartig in der Tourgeschichte war die zweite Etappe, bei der es mit Louis Trousselier und Émile Georget zwei Tagessiegr gab. Georget, der nach der achten Etappe bereits fünf Tagessieg verzeichnen konnte, lag schon mächtig weit vorne, als er vom Pech eingeholt wurde. Auf der neunten Etappe stürzte er an der Kontrollstelle in Auch so schwer, dass sein Rad einem Schrotthaufen glich. Er lieh sich daraufhin das Gefährt von seinem Kollegen Gonzagne Privat und setze sein Rennen fort. Das Regelment sagte allerdings, dass jeder Fahrer vom Start bis zum Ziel mit demselben Rad fahren musste - Georget kassierte für dieses "Vergehen" so viele Strafpunkte, dass selbst ein weiterer Etappenerfolg ihm nicht mehr helfen konnte. Durch den Sturz hatte er die Tour verloren, denn auch der dritte Platz im Endklassemnet war kein Trost für ihn.
Lucien Petit-Breton, der auf der neunten Etappe seinen ersten Tageserfolg feierte, kam nach einer 250 Kilometer langen Solofahrt (und das mit Plattfuß!!) in Bayonne ins Ziel udn wurde lautstark bejubelt. Nach Georgets Sturz übernahm er die Gesamtführung und ließ sich den Sieg am Ende nicht mehr nehmen.
Als neu zu bezwingener Berg konnte 1907 der Col de Porte begrüßt werden.

Montag, 14. November 2011

PORTRÄT Dario Stäuble



Dario Stäuble aus Gansingen absolviert gerade seine erste Saison als Radquer-Elite-Fahrer. Am Wochenende hat er die Solothurner Quer-und Bike-Cup-Serie gewonnen und beim internationalen Radquer in Hittnau belegte er den 21. Rang. Gute Ergebnisse um in der Elite-Klasse Fuß zu fassen.

Dario Stäuble kam mit acht Jahren zum Radsport. Der örtliche Veloclub, RV Gansingen, suchte motivierte Kids zum Rennradfahren und ein Kollege Darios schleppte ihn einfach mal mit zum Training. Er begann auf dem Rennvelo und wechselte dann später ins Radquer. Mit dem Gewinn der Schweizer Junioren-Meisterschaft 2009 unterstrich Dario seine Ambitionen, einmal an der Spitze mitzufahren. Ein mutiges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass es eine Sportart ist, die gerade erst ein langsames Comeback erlebt. „Radquer ist einfach abwechslungsreich. Da musst du in einer Stunde alles geben. 3-4 Stunden auf der Straße zu fahren, das ist mir einfach zu langweilig“ erklärt Dario seine Motivation. Radcross ist nichts für Schönwetterradler. Die Saison findet im Winter statt, es ist kalt und es ist nass. „Natürlich ist es schwer, sich da manchmal zu motivieren, wenn man trainieren will und draußen sind gerade mal fünf Grad und es regnet“ sagt Stäuble. „Einmal in der Woche sitze ich auf dem Radquer-Velo, ansonsten trainiere ich auf der Strasse, aber das muss eben so sein. Und zum regenerieren geht es dann zur Massage oder in die Therme.“
Für ein normales Sozialleben bleibt dem 20-Jährigen nicht viel Zeit. Vormittags arbeitet er als Metallbauzeichner und nach dem Mittagessen fängt der Trainingsalltag an. Manchmal, wenn in der Firma viel zu tun ist, dann muss Dario auch am Abend noch zurück in die Firma. Die Wochenenden sind in der Saison mit Wettkämpfen ausgebucht, da heißt es dann in der knappen Freizeit: Einfach mal die Beine hochlegen!
Unterstützt wird Stäuble von seiner Familie und Freunden. Als er sich entschloss, seine Konzentration komplett dem Radquersport zu widmen, musste der Verein betreuungstechnisch passen. Zu hoch war der Aufwand für den Straßenradsport während der Sommermonate. Sein Vater und sein Onkel waren die ersten aus dem Stäuble-Clan, die Dario während der Rennen betreuten. Schnell gesellten sich weitere Familienmitglieder dazu und heute kann er sich glücklich schätzen, auf einen gut organisierten Betreuerstab zu blicken. „Aber der Druck ist auch größer, wenn deine halbe Familie beim Rennen anwesend ist“ erklärt Dario schmunzelnd. „Bei einem Rennen mit Tausenden Zuschauern, da fährt man eben einfach mit und wird angefeuert. Wenn ich aber Rennen fahre, wo ich weiß, dass viele Bekannte und Freunde anwesend sind, dann bin ich schon aufgeregt und besonders Motiviert eine super Leistung abzurufen.“
In dieser Saison fährt Dario mit etwas weniger Druck seine Rennen. Es gilt erst Mal Fuß zu fassen in der Eliteklasse. Dafür ist er während der Radquer-Saison nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Frankreich, Deutschland und natürlich in Belgien beim Superprestige unterwegs. Ein ganz besonderes Leckerli hat Dario aber für seine Gönner und Fans parat: Nach jedem Rennen gibt es bei Ihm am Bus selbstgebackenen Kuchen. Ein Dankeschön für alle, die ihn an jedem Wochenende unterstützen.
Sein Ziel ist es, bei den Schweizer Meisterschaften in die Top-Five.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Tour du Faso - Das längste Etappenrennen in Afrika


LOGO von BERT ODENTHAL

Seit dem 21. Oktober findet in Burkina das größte Radrennen Afrikas statt. In zehn Etappen geht es bei Hitze und Staub durchs Land bis die Fahrer am 30.10. in der Hauptstadt Ouagadoudou das Ziel erreichen werden. Erstmals seit 15 Jahren ist auch wieder ein deutsches Team am Start. Knapp 1.280 Kilometer müssen die Rennfahrer bei Temperaturen um 30 Grad hinter sich bringen. Hinzu kommt, dass es manchmal keinen Strom oder Wasser gibt. Malte Wulfinghoff vom „departement of tomorrow“ war dabei der Ideengeber für ein deutsches Team. Das „departement of tomorrow“ hat seinen Sitz in Münster und bündelt gesellschaftspolitische und unternehmerische Ansprüche nach ganzheitlicher und nachhaltiger Entwicklung. Zudem begleitet es Projekte über die strategische Konzipierung hinaus bis zur Umsetzung. Es übernahm in Burkina Faso auch die Leitung und Koordination des deutschen Teams.
Die Tour du Faso findet seit 1987 in jedem Jahr statt. 1955 wurde in Burkina Faso das erste Mal ein Radrennen ausgetragen. Wachsende Radsportbegeisterung und die Professionalisierung der Radrennen resultierte daraus, das sich der Radsportverband und das Sportministerium 1987 entschlossen ein Etappenrennen ins Leben zu rufen. 16 nationale Teams aus Afrika und Europa nehmen an der Tour du Faso teil. Die Begeisterung in Burkina Faso ist groß und die Streckenführung schlau. Die Etappen werden kreuz und quer durchs Land führen, so dass möglichst viele Einwohner Teil des Rennens werden können. Sie begrüßen die Fahrer lautstark am Wegesrand.
Die deutsche Mannschaft setzt sich aus sechs motivierten Fahrern zusammen, die über eine große Grenzerfahrung bei Radrennen verfügen. Als Radsport-Globetrotter haben sie schon an mehreren „exotischen“ Rennen in Afrika, Asien, und Mittelamerika teilgenommen: Kamerun, Pakistan, Costa Rica, Guadeloupe, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Afrika ist jedoch Neuland für sie und neben der sportlichen Herausforderung wird das rennen auch eine neue kulturelle Erfahrung bringen.
Karsten Keunecke ist der sportliche Leiter im Team. Weiter sind Heinrich Berger, Benjamin Höber, Malte Wulfinghoff, Dominik Schmengler und Niko Ritter dabei. Auf die Gesamtwertung schaut keiner der Mitstreiter, dafür ist die Konkurrenz aus Frankreich, den Niederlanden und West- wie Ostafrika zu groß. Das Team verfolgt auch eine andere Mission.
Es wird sich in zwei Entwicklungsprojekte in Burkina Faso engagieren. Wobei vor allem die Gründung einer Radsportschule großes Interesse verbreitet. Die Realisierung wird wiederum vom „departement of tomorrow“ unternommen, die sich in Kooperation mit dem burkinischen Radsportverbandes sowie deutschen Firmen und Institutionen im Rahmen ihrer CSR-Strategie (unternehmerische Sozialverantwortung) engagieren. Eine Radsportschule in Burkina Faso ist ein einzigartiges Projekt, zu dem es weltweit keine Konkurrenz gibt. Die meisten Fahrer kommen aus armen Verhältnissen und verfügen selten über eine Schulbildung. Die Schule wird über ein ganzheitliches und professionelles Betreuungsprogramm verfügen, bei der sowohl gute Trainingsbedingungen als auch eine gute Schulausbildung gewährleistet ist. Darüber hinaus sorgt die Schule dafür, dass die Fahrer nach ihrer sportlichen Karriere einen qualifizierten Beruf ausüben können. Ein vergleichbares Leistungszentrum für Radsport und Bildung ist einzigartig und fördert den Radsport in Burkina Faso.
Durch die Tour du Faso erfährt das Land jährlich im Oktober ein großes Medieninteresse. So auch in diesem Jahr, denn das deutsche Team hat ein Kamerateam der „augenschein Filmproduktion“ dabei. Sie drehen einen 90-minütigen Kinofilm über das Abenteuer der Rundfahrt, der im nächsten Frühjahr in den Filmsälen vorgeführt wird.
Wer mehr Information haben möchte kann sich auf folgenden Internetseiten umschauen.
http://www.department-of-tomorrow.de/
http://06.live-radsport.ch/details_24843/Tagebuch_Heinrich_Berger_Die_ersten_Tage_bei_der_Tour_du_Faso.html
http://www.tourdufaso.bf/
https://www.facebook.com/pages/Tour-du-Faso-deutsches-Team/185982791478335

Dienstag, 25. Oktober 2011

Die TdF 1951: Fest in Schweizer Hand



Entnommen aus der Enzyklopädie Tour de France
Obwohl das Starterfeld zur diesjährigen Tour de France durchaus illustre Namen aufzeigte, so ist für die Franzosen klar: In diesem Jahr wird Louison Bobet das Rennen gewinnen.
Auch die Italiener waren nach ihrem Ausstieg 1950 wieder mit einer Topbesetzung am Start, denn sowohl Fausto Coppi als auch der 37-jährige Gino Bartali sind im Aufgebot. Coppis Bruder Serge war einige Tage zuvor bei der Piemont-Rundfahrt gestürzt und kurz darauf verstorben, deshalb befürchtete man, dass Coppi in seiner Trauer die Tour de France absagen würde. Aber er erschien am Start und wollte die Rundfahrt absolvieren. Vorjahressieger Ferdi Kübler war dagegen nicht dabei.
Gestartet wurde die Tour de France im lothringischen Metz. Die Organisatoren hatten 1926 schon einmal versucht, das Rennen außerhalb von Paris starten zu lassen, was aber bei der Bevölkerung keine große Euphorie auslöste. In diesem Jahr war es anders, denn die Stadt wurde schick herausgeputzt und die Menschen taten alles, um den Tourtross herzlich zu empfangen. Die Hauptstadt Paris wurde erst zur vierten Etappe besucht, da am selben Tag der Festakt zur 2000-Jahr-Feier begann. Und natürlich endete die Tour in der Hauptstadt, daran gab es nach wie vor nichts zu rütteln.
Am 4. Juli fand sich die Tourgarde am Place de la République in Metz zum Start ein, wo um Punkt 12.30 Uhr das Band zerschnitten wurde und das Fahrerfeld auf die Reise ging.
Auf der ersten Etappe übten sich die Fahrer allesamt in Zurückhaltung. Der Schweizer Giovanni Rossi gewann den Sprint in Reims vor Attilio Redolfi und Gilbert Bauvin. Damit übernahm der Schweizer für einen Tag das Gelbe Trikot, bevor es ihm Bim Diederich am nächsten Tag schon wieder abnahm.
Auf der fünften Etappe bummelte ein Großteil der Fahrer vor sich hin. Mit Serafino Biagioni und Angelo Colinelli waren zwei Ausreißer unterwegs, die dem Feld nicht gefährlich genug erschienen, um eine energische Aufholjagd zu starten. Nach 100 Kilometern hatten sich die beiden so schon neuneinhalb Minuten Vorsprung herausgefahren, und bei der nächsten Zwischenmeldung hieß es sogar 15 Minuten! Nun reagierte das Feld und gab Gas. Bis ins Ziel retteten die Ausreißer noch über zehn Minuten Vorsprung, und der Italiener Biagioni wurde Tagessieger. Damit aber nicht genug. Mit dem Husarenritt verbesserte sich Biagioni vom 60. auf den ersten Platz und übernahm das Gelbe Trikot!
Im Zielort Caen empfing der Tourtross ein Willkommen, das alles andere in den Schatten stellte. Während auf einer großen Mauer das Bild des Tourvaters Desgrange prangte, war der Ort selber ein einziger jubelnder und fröhlicher Ameisenhaufen.
Die sechste Etappe wurde im Sprint von Edouard Muller entschieden, derweil sich am Ende des Feldes eine kleine Tragödie abspielte. Giovanni Rossi war mit schweren Knieschmerzen in die Etappe gestartet. Im Laufe des Tages wurde der Schmerz stechender und schlimmer, und Rossi fiel immer weiter zurück, bis nach ihm nur noch der Besenwagen kam. Der Fahrer des Wagens schien ein Herz für den Schweizer zu haben, denn er verringerte sein Tempo, wenn Rossi es tat, und gab wieder Gas, wenn Rossi schneller wurde. Mit letzter Kraft fuhr Rossi in Rennes über die Ziellinie. Er hatte fast 23 Minuten Rückstand auf den Etappensieger und musste wegen Zeitüberschreitung das Rennen beenden…
Auf der nächsten Etappe stand das erste Einzelzeitfahren der diesjährigen Tour auf dem Programm, und man erwartete ein spannendes Duell der Favoriten Bobet und Koblet. Der Schweizer ging als erster der beiden auf die Strecke und hatte im Ziel das Gefühl eine gute Etappe gefahren zu sein. Bobet kam eine Sekunde schneller als Koblet ins Ziel. Koblet wollte sich damit abfinden, dass er die Etappe verloren hat, als er stutzig wurde. Der Spanier Ruiz war sechs Minuten nach ihm gestartet, sollte aber nur einige Sekunden langsamer gewesen sein als er? Koblet ging zu seinem technischen Leiter Burtin und dann zu Tourleiter Goddet. Er erreichte wahrhaftig, dass die Zeiten nochmals überprüft wurde, und siehe da, man hatte sich bei dem Schweizer wirklich um eine Minute verrechnet! Koblet wurde so nachträglich zum Etappensieger ernannt.
Am Start zur achten Etappe hatte Bobet die Nachricht verdaut und beglückwünschte den Schweizer vor dem Start zu seiner guten Leistung beim Zeitfahren. Sieger dieser Etappe wurde André Rosseel, der nach dem Zieleinlauf flachste: „Sind sie auch ganz sicher, dass die Zeit stimmt?“
Die ersten 100 Kilometer der neunten Etappe verliefen ereignislos. Auf dem Moreno-Pass war Géminiani der erste, während Bobet und Robic an den ersten Steigungen des Col de Ceyssat in Angriffslaune waren. Aber das Feld war zu achtsam, als dass sie die beiden losziehen ließen. Während Bobet in Schwierigkeiten geriet und Koblet zwei Reifenpannen überstehen musste, feierte Geminiani einen Etappenerfolg. Sicherlich war es für den Franzosen ein zusätzlichen Anreiz, dass das Ziel in seiner Heimatstadt Clermont-Ferrand lag.
Bereits nach der elften Etappe waren sich alle einig, das Koblet die Tour gewinnen würde. Er fuhr über 140 Kilometer alleine durch die Landschaft, und dem Verfolgerfeld gelang es nicht, den Schweizer einzuholen, oder zumindest den Abstand zu verkürzen. Obwohl auch Bobet, Bartali, Ockers und Coppi sich an der Tempoarbeit beteiligen, schaffen sie es nicht, den Schweizer einzufangen. Dieser demoralisierte sie regelrecht, indem er sogar den Abstand noch vergrößerte und zweieinhalb Minuten vor ihnen ins Ziel kam.
Auf der zwölften Etappe war das Peloton passiv unterwegs. Es fand sich eine Ausreißergruppe zusammen, die mit Wim Van Est auch den Tagessieger stellte.
Am nächsten Tag ging es den Col d‘Aubisque hinauf, wobei sich nach einiger Zeit eine 12-köpfige Spitzengruppe formierte, die am Anstieg des Pyrenäenriesen schon acht Minuten Vorsprung herausgefahren hatte. Wim Van Est, der am Vortag das Gelbe Trikot erobert hatte, jagte auf der Abfahrt der Spitzengruppe nach, als er in einer Kurve nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte und rund 40 Meter tief in den Abgrund stürzte. Da es dort sehr steil war, konnte der Holländer nur mit einem Seil geborgen werden. Bloß woher nehmen? Eiligst wurden Fahrradschläuche zusammengebunden und Van Est damit geborgen. Wie durch ein Wunder blieb er aber fast unverletzt, hatte nur einige Schürfwunden. Kaum geborgen, wollte Van Est weiterfahren und nach einer kurzen Untersuchung ließ man ihn auch. Nach wenigen hundert Metern merkte er aber, dass seine Nerven arg angegriffen waren und es besser war, das Rennen aufzugeben.
Am Abend der 14. Etappe machte sich Koblet nach seinem Tagessieg viele Freunde bei den Italienern. Nach der Siegerehrung begab sich der Schweizer zu Gino Bartali, der an diesem Tag seinen 37. Geburtstag feierte, und übergab ihm seinen Siegerblumenstrauß.
Die 16. Etappe hätte beinahe im Fiasko geendet. Nachdem sich um Geminiani/Koblet eine Spitzengruppe gebildet hatte, die mit reichlich Tempo dem Ziel entgegenfuhr, hatten die Nachzügler Glück im Unglück. Durch das hohe Tempo waren nur zehn Prozent der Fahrer vor Kontrollschluss im Ziel. Die Kontrollzeit wurde gottlob erhöht, was auch Fausto Coppi freute, der völlig erschöpft 35 Minuten nach dem Tagessieger ins Ziel rollte und ansonsten ausgeschieden wäre.
Auf der 17. Etappe wurde ein neuer Berg begrüßt. Der „Géant de Provence“, Mont Ventoux. Berüchtigt durch seinen kahlen Gipfel, der in 1.909 Meter Höhe liegt und einer zumeist unerträglichen Hitze, machten ihn zu keinem angenehmen Hindernis. Schon um 6.00 morgens wurde die Zufahrtsstraße zum Ventoux gesperrt, trotzdem standen 15.000-18.000 Menschen am Gipfel. Bis zum Anstieg blieb das Feld zusammen, erst nach den ersten Serpentinen kam ein wenig Bewegung ins Fahrerfeld. Unterhalb der Spitze zog Lucien Lazarides an und erreichte den Gipfel als Erster. Nach einer halsbrecherischen Abfahrt schlossen die Anderen, unter ihnen auch Bobet und Koblet, zu ihm auf. Der Bretone riss fünf Kilometer vor dem Ziel aus und sicherte sich so den Etappensieg.
Auf der 20. Etappe von Gap nach Briançon sah man einen fast entfesselt fahrenden Fausto Coppi. Bereits nach 46 Kilometern ging er los und legte eine grandiose Solofahrt hin, die ihn über dreieinhalb Minuten vor dem Zweiten ins Ziel kommen ließ.
Koblet aber war der verdiente Sieger der Tour de France 1951 und wurde gebührend in Paris empfangen.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Ein Fest für Radsportfans: Das Süpercross in Baden







Mittlerweile ist es zwar schon fast zwei Wochen her, dass das Süpercross am 25.9. in Baden/Aargau seine Premiere feierte, dennoch ist es auch jetzt noch voll erwähnenswert!
Liebe Organisatoren, das war wirklich ein Fest für Radsportfans. Und wer vorher kein Radquer-Enthusiast war, der ist es spätestens jetzt. Ein frisches, buntes und einprägsames Logo sah man einige Wochen vor dem Event überall: Auf Flugzetteln, an Häuserwänden, Internetportalen und in der Zeitung. Auch das Programm überzeugte und ließ keinen Zweifel daran, dass mit diesem Radevent frischer Wind in die Schweizer Radquer-Szene gebracht werden sollte. Das OK-Team um Christian Rocha, seit einigen Tagen frischer Nationalcoach des Schweizer Frauenstraßenteams, traf sich selber häufig an der Baldegg „um ein bisschen zu crossen.“. Irgendwann entstand die Idee, ein neues Radquerrennen ins Leben zu rufen. Über ein Jahr harte Arbeit lag am 25.9 hinter ihnen. Süpercross wurde von der belgischen Radserie „Superprestige“ abgeleitet. Irgendwann, so der große Traum der Organisatoren, wollen sie in der Schweiz eine ähnliche Serie etablieren. Den Grundstein haben sie mit ihrer Veranstaltung gelegt.
Gestartet wurde morgens um neun bei dichtem Nebel, der kaum einen Blick auf die Strecke zuließ. Die Jedermänner waren jedoch voll motiviert und lieferten sich ein tolles Rennen. Erster Sieger war Kaspar Frei vor Willy Hofer und Martin Weiss. Danach starteten die Frauen und mit Ihnen auch die Schweizer Meisterin Jasmin Achermann und der Deutsche Crossstar Hanka Kupfernagel. Letztere hatte ihr Kommen erst kurz vorher spontan bekannt gegeben. Und sie sollte es nicht bereuen, denn sie heimste auch gleich ihren ersten Radcross-Sieg der Saison ein.
Irgendwann riss der Himmel auf und es strahlte die Sonne. Ein perfekter Spätsommertag zog viele Gäste an und als nachmittags um halb zwei die Kids an den Start gingen war die Stimmung schon unglaublich. Die jüngste war vier Jahre alt und pedalte auf einem Mini-Rad über die Wiese. Oder besser wurde dann und wann von Papa geschoben. Die Kids hatten viel Spaß und das war ja die Hauptsache. Die Organisatoren waren von dem Andrang am Kidscross überwältigt und mussten auch kurzer Hand Startblöcke bilden.
Danach folgte dann der Höhepunkt eines perfekten Radcross-Tages. Die Elite ging an den Start und unter ihnen waren auch Weltmeister Zdenek Stybar, der französische Meister Francis Mourauy und der italienische Meister. Einen Galaauftritt legte der Schweizer Lukas Flückinger hin und wurde am Ende mit dem Dritten Platz nach Stybar und Mouray belohnt. Nach dem rennen wurde auf der Großbildleinwand die Straßen-WM aus Kopenhagen übertragen. Und man konnte bei schönstem Sonneschein noch das leckere Catering genießen. Für An- und Abreise war auf die Baldegg auch bestens gesorgt. Ein Shuttlebus brachte die Zuschauer vom Bahnhof in Baden im 15-Minuten-Takt hinauf.
Danke liebes OK-Team. Das war wirklich ein Fest für Radsportfans. Und die, die es vorher nicht waren sind es ganz sicher jetzt!

Sonntag, 25. September 2011

Radquer, Cyclocross, Radcross oder Querfeldein?

Wer im Winter auf Radsportentzug ist, der sollte unbedingt mal ein Radcross-Rennen besuchen. Oder ein Querfeldein-, ein Radquer- oder auch ein Cyclocross-Rennen. Es ist alles die selbe Sportart…
In den letzten Jahren hat Radsross an Bedeutung gewonnen, dem Sport ist es aber noch lange nicht gerecht. Es ist einfach grandios zum Zuschauen, wenn sich die Sportler bei eisigen Temperaturen, im Schneematsch oder Dauerregen total einsauen und im tiefen Matsch um den Sieg kämpfen.
Die Geschichte des Radcross-Sports begann Ende des 19. Jh. in Frankreich. Daniel Gousseaux, französischer Soldat, fuhr jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit. Im Winter über Stock und Stein, unbefestigte Straßen und über Felder. Später war er Generalsekretär der französischen Radsportunion. Vor allem in der Schweiz sieht man heute häufig Militär-Rennen vor den eigentlichen Wettkämpfen. Hierbei fahren zumeist Männer in Tarnanzügen auf nostalgischen Ein-Gang-Rädern über den Parcours. Eine schweißtreibende Angelegenheit, die für die Zuschauer jedes Mal schön anzusehen ist…
Erste nationale Meisterschaften gab es in Frankreich bereits 1902. Acht Jahre später wurde auch in Belgiern der Radcross-Champion gekürt und die Schweiz folgte 1912.
1924 wurde dann das erste internationale Rennen in einem Wald bei Paris ausgetragen. „Le Critérium International de Cross Country Cyclo Pédestre“ war bis 1949 fester Bestandteil im Wettkampfkalender. Abgelöst wurde das Rennen von der Weltmeisterschaft, die seit 1950 ausgetragen wird. Erster Sieger war der auch vom Straßenradsport bekannte Bretone Jean Robic. Er war zudem der erste Tour-de-France-Sieger nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Belger Erik de Vlaeminck ist mit sieben Titeln Rekordweltmeister. Rolf Wolfshohl, Renato Longo und Erwin Vervecken sind weitere erfolgreiche Crosser. In der Schweiz ist vor allem der 5-malige Cross-Weltmeister Albert Zweifel bekannt. Seinetwegen wurde die Schweiz in den 1970er Jahren das Mekka der Cyclocrosser. Im Sommer widmete sich Zweifel dem Straßenradsport und ist bis heute mit 16 Teilnahmen der Rekordteilnehmer der Tour de Suisse.
Aus deutscher Sicht sind aktuell Hanka Kupfernagel und Phillip Walsleben echte Crosshelden.
Das Rad im Cyclocross unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von einem gewöhnlichen Rennrad. Bei näherer Betrachtung sieht man den Unterschied der Reifen, die breiter sind als beim Rennrad und über gutes Profil verfügen. Zudem hat ein Crossrad auch Bremsen am Oberlenker, sowie manchmal Schutzbleche. Die Firmen Alan und Vitus waren bis in die 1990er Jahre die einzigen, die Crossräder in größerer Stückzahl herstellten. Mittlerweile bieten alle namhaften Radhersteller Crossräder in unterschiedlicher Ausstattung an.
Wer Lust hat, ein Crossrennen zu besuchen, findet auf www.Radquer.ch und www.cyclocross.de alle Termine für die Schweiz und Deutschland.

Montag, 25. Juli 2011

Tour-Fazit

Nun ist sie also wieder vorbei, die Tour de France. Und was bleibt in diesem Jahr hängen? Sie war spannend, sie war verregnet und sie war von Stürzen gezeichnet. Am Ende steht auf dem Siegertreppchen der Australier Cadel Evans, dem man vorher irgendwie nie so recht den Toursieg zugetraut hat. So wohl auch die beiden Luxemburger Fränck und Andy Schleck, die sich zu sehr auf den Spanier Alberto Contador konzentriert hatten. Cadel Evans steht zu Recht auf dem Siegerpodest. Er und sein BMC-Team sind ein tolles Rennen gefahren, sie haben die Spannung auch in der letzten Woche aufrecht gehalten. Hinzu kam Thommy Voeckler, dessen Kampfgeist einmal mehr sichtbar wurde und ihn in Frankreich zur Legende hat werden lassen. Ebenso Jérémy Roy, der sich unzählige Male in Ausreißergruppen präsentierte und am Ende zum kämpferischsten Fahrer der Tour gekrönt wurde. Andy Schleck’s Husarenritt am Galibier hat alle Radsportfans verzückt und mit Andreas Klöden oder Alexandre Vinokourov haben alle gelitten. Zwei deutsche Etappensiege durch Tony Martin und André Greipel waren aus nationaler Sicht die Höhepunkte, obwohl alle deutschen Fahrer ihre Arbeit hervorragend gemeistert haben. Für Sebastian Lang war es die letzte Tour und ihn begleitete auf jedem Meter auch ein bisschen Wehmut. Jens Voigt sagte vor dem Start in der Vendée, dass es seine letzte Teilnahme sein wird. Aber jetzt, drei Wochen und etliche Schweißtropfen später hat er seinen Vertrag beim Luxemburger Team Leopard-Trek verlängert und wird auch im nächsten Jahr an der Seite der Schleck-Brüder an der Großen Schleife am Start sein.
Die Straßen entlang der Tour de France waren gesäumt von Millionen Zuschauer. Mir kam es vor, als wenn ich noch nie eine so gut besuchte Tour de France begleitet habe. Die Euphorie in der Bretagne, volle Straßen im Zentralmassiv, überfüllte Gipfel in den Pyrenäen und Urlaubsfeeling Richtung Mittelmeer. Was dann aber an Zuschauern in den Alpen zusammenkam übertraf alle Erwartungen der Veranstalter. Die Gendarmerie, die für die Organisation vor Ort zuständig sind waren arg überfordert mit den Automassen, die sich ihnen entgegen stellten. Ein Wunder das dennoch jeder Besucher einen Parkplatz in den Alpen ergattern konnte. Dabei sah es kurzzeitig sogar so aus, als wenn man das Geburtstagskind, den Col du Galibier gar nicht befahren konnte. Es herrschten Minusgrade und Neuschnee war gefallen. Pünktlich zur Etappe kam aber doch die Sonne raus und bescherte allen eine tolle Geburtstagsparty.
Der Wettergott meinte es in diesem Jahr nicht gut mit dem Tourtross. Regen in der Bretagne, Regen im Zentralmassiv, Regen in den Pyrenäen und Regen in den Alpen. Umso bewundernswerter ist der Zuschauerzuspruch zu sehen. Die Fans haben tagelang im Schnee gecampt, Zelte standen unter Wasser, aber auch dieses konnte die Begeisterung nicht mindern, im Gegenteil.
Und wie sieht es an der Dopingfront aus? Experten, Kritiker und Fans sind sich einig darüber, dass wir eines der saubersten Rennen der Gegenwart gesehen haben. Es gab unzählige Kontrollen, wobei sich die Kontrolleure häufig sehr unpassende Gelegenheiten ausgesucht haben. Die ohnehin schon „gläsernen Sportler“ standen wie immer rund um die Uhr für Kontrollen zur Verfügung. Andy Schleck wurde sogar mal innerhalb zwei Stunden doppelt getestet. Der sonst eher scheu wirkende Luxemburger twitterte danach, dass man sich doch in Zukunft bitte besser absprechen sollte, denn er musste mit seinem Urinbecher in einem Restaurant an den anderen Gästen vorbei, was er als „unappetitlich“ ansah. Andere Fahrer wurden früh morgens um sechs geweckt, obwohl gerade bei dieser Rundfahrt die Regeneration und Schlaf enorm wichtig sind. Berichtet wird nur, wenn etwas gefunden wurde, aber nicht, was die Fahrer eigentlich auf sich nehmen müssen im Kampf gegen Doping. In keiner anderen Sportart sind die Sportler so gläsernd, wie im Radsport, was Hoffnung gibt, dass die Gesamtwertung auch so wie sie ist in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Freitag, 22. Juli 2011

Aufbau der Medientrucks

Normalerweise schläft die ganze Stadt um vier Uhr früh noch. Aber nicht heute, denn an diesem Morgen schallen Motorengeräusche durch die engen Gassen der Altstadt. Die Tour de France ist zu Besuch.

Mitten in der Nacht reisen die Trucks an. Übertragungswagen aller großen Fernsehsender Europas, kleine Transporter und auch die roten LKWs der „Norbert Dentressangle“-Spedition. Lautstark. Alle müssen es hören. Geparkt wird dort, wo am nächsten Nachmittag der Zieleinlauf sein wird. Motor aus, und noch schnell ein paar Stunden Schlaf, bevor es mit dem Aufbau gegen halb fünf Uhr morgens losgeht.
Monsieur Pagès ist der Erste, den man zu Nacht schlafender Zeit auf der Straße trifft. Er ist der Cheforganisator der „Zone Technique“ und damit verantwortlich dafür, dass im Laufe des Vormittags alles funktioniert. Er ist es auch, der sich die Städte im Vorfeld mit anschaut uns auswählt. Schließlich muss die technische Zone genau platziert werden.
Alles ist ausgemessen. Alles ist organisiert.
Eher gemütlich geht es in den frühen Morgenstunden los. Aus den Schlafkabinen der LKWs kriechen müde die ersten Fahrer. Sie sind gleichzeitig auch Logistiker und eigentlich Mädchen für alles. Sie parken ein, bauen auf, kochen Kaffee, machen sauber.
Die großen Trucks werden angeschmissen, und innerhalb kurzer Zeit herrscht ein Höllenlärm in der verschlafenen Stadt. Als unbedarfter Zuschauer ist dies der Zeitpunkt, an dem man sich besser einen Platz außerhalb sucht und von dort aus still beobachtet. Die Gefahr, irgendwo unter die Räder zu kommen scheint riesengroß. So wuselig und unübersichtlich es auch ist, beim genauen Hinsehen erkennt man, dass alles aufeinander abgestimmt ist. Jeder Zentimeter ist vergeben und jeder Handgriff sitzt. Es ist ein eingespieltes Team, das hier die tonnenschwere LKWs rangiert und einweist.
Starke Nerven braucht es dennoch. So muss der Fahrer, der die Einzelteile des Zieleinlaufs auf seiner Ladefläche befördert, seinen Truck rund 20 Mal hin und her rangieren. Millimeter um Millimeter kämpft er sich an die perfekte Stellung heran. Er ist die Ruhe selber. Hat einen dampfenden Becher Kaffee neben seinem Cockpit stehen und einen frischen Buttercroissant zwischen den Zähnen. Nach einer guten Stunde macht er seinen Motor aus. Er hat seinen LKW perfekt platziert. Schnell abgeladen, und weg ist er wieder. Wenig später erscheinen einige Arbeiter mit kleinen Gabelstaplern und fahren die abgeladenen Teile kreuz und quer zusammen. Sofort sitzt wieder jeder Handgriff, als das „Arrivée“ zusammengebaut wird. Aus einem Truck werden Reporterkabinen, aus einem anderen die VIP-Tribüne.
Während an allen Seiten gleichzeitig gewerkelt wird, läuft Pagès mit Papier und Stift sowie mit einem Funkgerät im Dauereinsatz durch das scheinbare Chaos. Wilde Gesten hier, laute Worte dort, ein Schulterklopfen auf dem Weg und im nächsten Moment sieht man ihn auf seiner Vespa durch die andere Seite der „Zone technique“ fahren.
Gegen neun Uhr ertönt ein lauter Gong. Das Zeichen zum Gruppenmeeting am Zielstrich. Das Ritual findet jeden Morgen statt, in jedem Zielort. Fahrer und Logistiker treffen sich, und der Chef erläutert, was besonders gut gelaufen ist, oder auch was nicht. Da kann es schon mal vorkommen, dass jemand namentlich besonders hervorgehoben wird. Positiv wie negativ. Laut, wie leise. Hier sind alle per Du.
Danach gibt es Frühstück für alle Beteiligten. Jeder Zielort muss dies zur Verfügung stellen und häufig ist auch noch ein kleines Präsent dabei. Fast immer eine regionale Spezialität – an diesem Morgen eine Flasche Wein und dazu kleine Kuchen für jeden.
Nach dem Meeting werden die scheinbaren Kleinigkeiten erledigt. Unzählige Meter Kabel werden entrollt, hier eingestöpselt und dort eingestöpselt, Fahnen gehisst, Stühle aufgestellt und sauber gemacht.
Wenn für die Aufnahmeleiter, Reporter und Redakteure der Arbeitstag beginnt, endet er für die Fahrer der Trucks. Sie begeben sich in die gebuchten Hotels, um zumindest ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Gleich nach dem Zieleinlauf beginnt für sie nämlich wieder die Arbeit: Alles abbauen und in den nächsten Zielort fahren.

Freitag, 15. Juli 2011

Lieferservice am Berg


Obwohl Marie Blandin bereits 76 Jahre alt ist, fährt sie in jedem Jahr mit ihrem Auto hinauf auf die Pyrenäengipfel, um die Tour-de-France-Fans mit Wasser, Baguette und Kaffee zu versorgen. Von vielen Wartenden wird sie dort oben schon sehnsüchtig erwartet.
Marie Blandie ist eine rüstige ältere Dame aus dem Departement Haute-Pyreneés. Seit 1910 durchquert die Tour de France jährlich ihre Region. Die Große Schleife gehört hier zum Sommer wie die Sonne und die Urlauber.
Marie Blandies Heimatort ist Campan. Ein unscheinbares Örtchen vor den Toren von Bagnères-de Bigorre, das von den meisten Radreisenden nur als Durchreiseort wahrgenommen wird. Kein Wunder, warten doch einige Kilometer höher die Berggiganten Tourmalet, Aspin und Peyresourde. Und auch das nahegelegene Sainte-Marie-de-Campan wird von den Radsportenthusiasten gerne besucht. 1913 schrieb Eugène Christophe dort Tourgeschichte, als er aus Richtung Tourmalet kommend eine weite Strecke zu Fuß bewältigen musste, weil ihm die Vordergabel seines Rades gebrochen war. Erst in Sainte-Marie-de-Campan konnte er sein Gefährt eigenhändig reparieren und weiterfahren.
Marie Blandin ist mit der Tour de France aufgewachsen. „Ich liebe die Stimmung“, verrät sie und bekennt: „Am Tag, bevor die Tour kommt, ist es eigentlich am Schönsten. Da ist alles noch so entspannt.“
Seit über vierzig Jahren hat es sich Marie Blandin zur Aufgabe gemacht, die Tour-de-France-Fans mit Speis und Trank zu versorgen. Es begann, als sich ihre drei Buben aus dem elterlichen Haus verabschieden und eigene Wege gingen. „Da kam mir die Idee, doch einfach mal auf die Gipfel zu fahren und zu gucken, ob da nicht irgendjemand irgendetwas braucht".
„Seitdem mache ich das in jedem Jahr“, erzählt sie. Und so auch heute. Gegen sechs Uhr in der Früh steht sie auf. Dann geht es zum Bäcker, um die bestellten 30 Baguettes abzuholen. Zeitungen holen, Kaffee kochen. Ihren typisch französischen Kastenwagen hat sie schon am Vortag gepackt, so dass sie sich rasch auf den Weg machen kann.
Heute führt der Weg über den Col d‘Aspin, doch das Wetter ist schlecht. Keine 50 Meter kann sie gucken. Dazu Regen, der schon die ganze Nacht über niedergeprasselt ist. Hupend quält sich Marie die enge Straße hinauf. Hier und da klettern Menschen aus ihren Wohnmobilen und winken der alten Dame zu. Ein Euro und dreißig Cent für ein Baguette, ein Euro fünfzig für einen Becher Kaffee. Vor allem der wärmende Kaffee ist an diesem Morgen schnell ausverkauft. „Wenn es warm ist, dann kaufen alle nur Wasser, und ich muss meinen Kaffee wieder mit nach Hause nehmen“.
Früher ist sie noch mehrmals am Tag hinauf gefahren. Doch heute decken sich die meisten Besucher selber ein, und sie fährt nur einmal hinauf. „Es geht ja vor allem darum, dass man was vor hat“, strahlt sie. „Ich freue mich jedes Jahr darauf.“
Einige der Besucher sieht sie fast jedes Jahr. Aber sie kann sich schlecht Gesichter merken. „Ich erkenne sie nur am Auto oder den Fahnen“. Und sie ärgert sich, dass sie keine andere Sprache spricht. „Dann würde ich mich sicherlich auch mehr mit den Menschen unterhalten können.“
Solange es geht, will Marie auch weiterhin die Pyrenäengipfel erklimmen, um die hungrigen Mäuler der wartenden Fans zu stopfen.
Sie selber schaut sich die Tour de France lieber gemütlich vor ihrer Haustür an. Oder im Fernsehen, falls der Tross nicht den Weg durch Campan findet.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Campen am Berg




Um die Helden in den Bergen aus der ersten Reihe zu sehen kommen viele Tourfans schon Tage vorher und schlagen ihr Zelt auf.

Laurent und seine beiden Freunde sind schon vor drei Tagen angereist. Abends kurz bevor die Dunkelheit hereinbrach hatte sie ein freundlicher Polizist auf den provisorischen Campingplatz gewunken. „Wir machen das in jedem Jahr“ lacht Laurent „das gehört für uns zum Sommer dazu“.
Natürlich ist es kein regulärer Campingplatz. Es ist eine Wiese, die man irgendwie befahren kann, und es zur Touretappe toleriert wird, wenn man sich ein wenig niederlässt. Es gibt selten fließend Wasser, keine Toiletten, kein Strom dafür aber einen netten Platz in Schieflage.
Für ein Unternehmen wie dieses muss man schon relativ gut vorbereitet sein und vor allem muss man auf jeglichen Komfort verzichten können.
Laurent hat sein Auto neben den Basken geparkt. „Da ist heute Abend sicherlich gute Stimmung“ verrät er. Gleich gegenüber haben sich die Norweger eingerichtet, die am Tourtag gleich eine ganze Bergkurve besetzen wollen, wie Laurent schon in Erfahrung gebracht hat.
Sprachprobleme gibt es keine. Es regiert ein Kauderwelsch verschiedener Sprachen, und wer gar nicht weiter weiß, der nimmt Hände und Füße zur Hilfe. Hier wird sich ohne große Worte verstanden.
An dieser Stelle sucht man nicht lange für einen geeigneten Platz für sein Zelt, den bekommt man sowieso nicht. Man stellt sich hin, wo Platz ist, auch wenn man bei der extremen Schieflage kein Auge zubekommt. Auf dem Berg muss man auf alles vorbereitet sein. „Das Wetter kann sich hier schnell ändern“ erzählt Laurent „ich hab immer meine dicke Decke dabei“. Und da es auf über 2000 Metern auch Nachts noch gerne feucht wird, kriecht die Kälte bis in die Zehenspitzen.
Zu gerne wird dann ein Feuer gemacht, an dem sich jeder niederlassen kann. Kommen jedoch die Gendarmen nachts auf ihrer Patrouille vorbei, dann gibt es Ärger, denn offenes Feuer ist grundsätzlich verboten. Laurent hat einen Einweggrill dabei,„Da wird einem auch warm“ teilt er gerne seine Erfahrung mit.
Abends wird es dennoch grundsätzlich gemütlich, ob es warm oder kalt ist, trocken oder nass. Musik hallt aus zahlreichen Autos und überall kann man sich dazu gesellen. Kein Trinkgelage, sondern die Atmosphäre gleicht einem großen europäischen Volksfest. Das Thema, dass die Gespräche dominiert ist klar: Die Favoriten der Tour, Ereignisse vergangener Touren und eigene Erlebnisse bei der Tour. Das Repertoire scheint unendlich.
Richtig ruhig wird es meistens nur im Morgengrauen, wenn die letzten im Bett sind. Die ersten werden bald aufstehen, geweckt von den ersten Sonnenstrahlen des Tages.
Einige pfiffige Einheimische haben die Marktlücke der Campingwiese erkannt und verkaufen aus ihren PKWs heraus mehrmals am Tag Getränke und Baguette. Der Service wird dankend angenommen. Und in diesem Jahr hat sogar jemand einen Grill aufgebaut und verkauft am Tourtag Bratwürste.
Am Abend vor der Tour ist es obligatorisch, den Berg hinauf zu wandern und sich einen Überblick zu verschaffen. Denn wenn man am Berg gecampt hat, dann geht man am Tourtag früh morgens los und setzt sich an die Strecke. Man möchte man alles mitbekommen, was sich tut.
Ist das Peloton vorbeigezogen, die Pressefahrzeuge wieder hinunter gefahren, dann beginnt ein letzter Abend auf der Wiese. Viele bleiben noch eine Nacht und ruhen sich von dem anstrengenden Tag aus. Immerhin gibt es gerade heute viel auszutauschen. Auch Laurent und seine Freunde bleiben noch. Sie kommen aus der Nähe von Bayonne und werden erst am nächsten Tag den Heimweg antreten. „Natürlich verfolge ich die Tour weiter. Aber zu Hause“ sagt er und scheint darüber nicht traurig zu sein. Denn Camping am Berg ist anstrengend – ein Abenteuerurlaub der anderen Art.

Dienstag, 12. Juli 2011

Ein Bauer auf Abwegen


In Suech, einer kleinen Ortschaft nördlich von Albi, hat man sich für die heutige Etappe etwas ganz besonderes ausgedacht. Albert Ladron, im Erwerbsberuf Milch- und Getreidebauer, wird allerdings schon ein wenig mulmig zu Mute, wenn er an das denkt, was er da vor sich hat.
Doch zuvor ein Rückblick. Die Tour de France kommt in dieser Region eigentlich in jedem Sommer zu Besuch. Sie gehört einfach zum Leben und ebenso gehört es sich für die Einwohner, der Tour ihren Respekt zu zollen und sich an die Strecke zu begeben. Dort wird dann stets ein großes „Picnique“ veranstaltet.
Das fällt für Albert Ladron und seine Freunde in diesem Jahr allerdings etwas ungewöhnlich aus: Die Männer aus der Gegend von Suech werden die gut 15 Kilometer bis zur Tourstrecke nämlich zu Fuß zurücklegen – müssen.
„Wie das anfing weiß ich gar nicht mehr richtig“, schüttelt Ladron zögernd den Kopf. „Ich glaube, das war im letzten Jahr bei der Tour.“ Da waren die Eheleute Ladron mit einigen Freunden zur Strecke gepilgert und hatten sich einen schönen Nachmittag gemacht. Und wie es so ist - Männer und Frauen amüsierten sich gemeinsam, doch es waren die Frauen, die ihre Männer anschließend wieder nach Hause chauffierten. Wie immer bei solch einem gemütlichen Beisammensein war nämlich mehr Wein geflossen, als für die Männer gut war.
„Unsere Frauen streiken in diesem Jahr“, fasst Albert kleinlaut die Konsequenzen aus dem Vorjahr zusammen. Da half noch so viel betteln und bitten nichts. Die Frauen blieben standhaft. Sollten ihre Männer doch sehen, wie sie zur Tour kommen!
„Da sind wir natürlich auch irgendwann stur geworden“, grinst der Bauer verschmitzt. „Wir haben uns zusammen gesetzt und überlegt, wie wir denn nun zur Tour kommen können“. Das Rennen einfach ausfallen zu lassen, kam für die Fans natürlich nicht in Frage. „ Erst haben wir überlegt, ob wir einfach mit dem Taxi fahren. Aber dann wurde es eine lustige Runde, und wir haben entschieden, dass wir zu Fuß gehen werden.“ Ein Schelm, wer beim Entscheidungsfindungsprozess abermals zu viel Wein vermutet.
In den Tagen vor der Tour wuchs bei Albert Ladron und seinen Freunde der Respekt vor ihrem Vorhaben. Die Landschaft rund um Suech ist nämlich durchaus hügelich. Von Landwirtschaft und großen Gehöften geprägt, lädt die schöne Gegend aber zugleich ein, um ausgedehnte Wanderungen zu unternehmen. Nur gut vorbereitet sein muss man. Und das sind die stolzen Pilgerer, die sich vorher ordentlich mit Verpflegung versorgt haben. Die Nahrung weist allerdings überwiegend eine flüssige Konsistenz auf.
„Wir gehen morgens um sieben Uhr los. Wir wollen dem Fluß Ceret folgen, und dann kurz vor Carneaux auf die Strecke der Tour treffen.“ Stühle und Tische werden sie mitnehmen, unter dem Arm geklemmt. Und die Kühltruhe darf natürlich auch nicht fehlen. „Aber die wird ja unterwegs leichter werden“, schmunzelt Ladron. Trotzdem dürften die fünf Herren ordentlich zu schleppen haben.
Zum Ende des Gespächs gibt Bauer Ladron dann etwas kleinlaut noch eine Einschränkung preis. Die Damen werden nämlich mit dem Auto vorfahren, um für alle gute Plätze zu sichern. Vor allem aber, um ihre nach 15 Kilometer Wanderschaft müden Männer mit selbstgemachten Leckereien zu empfangen. Einem gemütlichen Picknick steht also auch in diesem Jahr nichts im Wege. Und natürlich werden die Frauen ihre Männer auch in diesem Jahr hinterher wieder nach Hause kutschieren. „Das war doch schon immer so“, grinst Albert Ladron.
So kommen sie am Ende alle zu ihrem Recht. Vor allem aber wird der Spaß wieder im Vordergrund stehen. So ist bei den lustigen Bauern von Suech, bei denen die Tour alljährlich vorbeischaut.

Montag, 11. Juli 2011

Zum Ruhetag: Die TdF 1934



Entnommen aus der Enzyklopädie Tour de France. Nachdem im letzten Jahr die Bergwertung eingeführt worden war, gab es auch in diesem Jahr eine richtungsweisende Neuerung: Erstmals in der Tourgeschichte wurde auf der drittletzten Etappe ein Einzelzeitfahren ausgetragen.
Nur 60 Teilnehmer hatten sich angemeldet, so wenig wie seit 1905 nicht mehr.
André Leducq war aufgrund einer Meinungsverschiedenheit mit Tourchef Desgrange nicht am Start. Die Kapitänsrolle im französischen Team übernahm Charles Pélissier. Auch Antonin Magne war in Topform, und man erwartete einen spannenden Zweikampf zwischen ihm und Vorjahressieger Georges Speicher. Die Deutschen wurden von Henri Desgrange mit Anerkennung überschüttet. Stöpel, Geyer, Buse, Kutschbach, R. Wolke, Nitschke, Risch und B. Wolke füllten das deutsche Team.
Um Punkt acht Uhr morgens ging es von der Rue Fauberg Montmartre auf den Weg zum Start. Als das französische Team als letztes die heiligen Hallen der „L’Auto“ verließ, kannte der Jubel keine Grenzen. Über zwei Stunden dauerte es, bis die Teilnehmer sich ihren Weg zum Startplatz in Vésinet gebahnt hatten!
Kurz nach dem Start versuchte Lapèbie sich abzusetzen, Charles Pélissier und René Vietto setzten ihm aber nach und brachten somit erstmals Bewegung ins Feld. Im Hippodrome des Flandres in Lille gewann Speicher vor Romain Maes die Etappe. Willi Kutschbach wurde sensationell Sechster. Leider beendete Kurt Nitschke das Rennen bereits am ersten Tag. Ihn ereilten zahlreiche Reifendefekte, so dass er schon nach kurzem zu viel Zeitrückstand hatte.
Auch auf der zweiten Etappe gab es zahlreiche Pannen und Stürze. Auf dem Kopfsteinpflaster des Nordens schieden einige Fahrer aus. Neben dem Schweizer Blattmann war es noch Rafaele Di Paco, der das Rennen beenden musste. Auch René Le Grevès stürzte, konnte sich aber gleich wieder aufrappeln. Mit Magne und einigen anderen fuhr er in die Radrennbahn in Charleville ein und gewann die Etappe im Sprint. Geyer und Buse kamen mit dieser Führungsgruppe ins Ziel. Deutschland hatte sich damit in der Teamwertung auf den zweiten Platz vorgeschoben.
Am vierten Tag ging es in die Vogesen. Und er begann gleich hervorragend für das deutsche Team. Die Gebrüder Wolke setzten sich vom Feld ab und fuhren gemeinsam einen Vorsprung heraus. Leider wurden sie von einer Bahnschranke gestoppt, und das Verfolgerfeld schloss auf. Danach versanken sie im Peloton. Roger Lapébie siegte vor Morelli. Antonin Magne konnte sein Gelbes Trikot allerdings verteidigen.
Die fünfte Etappe führte bereits in die Richtung Alpen. Hermann Buse eröffnete die Angriffe. Er strotzte an diesem Tag vor Kraft und konnte dem Peloton entfliehen. Erst am Col de la Faucille hatten sie ihn wieder eingeholt. Eine große Führungsgruppe kam ins Ziel. René Le Grevès und Georges Speicher waren die Schnellsten im Sprint und wurden trotz eines Fotosvergleichs beide zum Sieger erklärt. Der Franzose Antonin Magne fuhr bislang gut mit und verteidigte Tag für Tag sein Gelbes Trikot.
Die sechste Etappe wurde erst mittags um halb zwölf gestartet. Fast dreißig Grad herrschten und sorgten dafür, dass das Feld erst langsam in Schwung kam. Der Italiener Giu-seppe Martano riss als Erster aus, musste seinen Tritt nach einiger Zeit aber wieder verlangsamen. Der kleine Schwächeanfall kostete ihm einige Meter und die „Touristes routiers“ Vervaecke, Molinar und Morelli konnten ihn einholen. Auch Magne war kurz danach bei ihnen. Auf der Abfahrt stürzte Vervaecke dreimal, und auch Kurt Stöpel, der sich eine gute Position erkämpft hatte, ereilte das Pannenpech. Er fiel dadurch noch weiter zurück. Georges Speicher gewann die Tageswertung.
Auch der nächste Tag führte das Feld durch die Alpen. Kurz nach dem Start fuhr der Spanier Ezquerra davon und er hatte auch genügend Energie, den ersten Gipfel zu erklimmen. Auf dem Col du Télégraphe kam der Spanier als Erster an, danach der 20-jährige Franzose René Vietto. Antonin Magne im Gelben Trikot kämpfte sich auf der Abfahrt ebenfalls heran. Vietto war voller Energie und riss erneut aus. 50 Kilometer fuhr der tollkühne Franzose alleine über die Berge. Seinen letzten zähen Widersacher Ezquerra hängte Vietto auch ab und gewann die Etappe souverän. Die deutschen Wolke-Brüder hatten Pech und kamen trotz großem Engagement erst nach Kontrollschluss ins Ziel und mussten das Rennen beenden. Geyer kämpfte sich ebenfalls durch den Tag. Eine Magenverstimmung bremste ihn jedoch. Wie ein Häufchen Elend saß er in seinem Sattel, erreichte aber trotzdem das Ziel.
Am nächsten Tag war Ludwig Geyer wieder fit. Pastorelli war ausgerissen, und Geyer fuhr ihm nach. Einfangen konnte er ihn aber nicht. Etappensieger wurde Guiseppe Martano vor Antonin Magne.
Die neunte Etappe war eine gute für die Deutschen. Geyer war immer wieder die treibende Kraft bei Ausreißversuchen und setzte sich damit hervorragend in Szene. Auch Kurt Stöpel war gut in Form. In den letzten Tagen hatte er viel Pannenpech, aber im Laufe des Tages arbeitete er sich immer weiter nach vorne. Star des Tages aber war der Franzose René Vietto. Er feierte klar den Tagessieg, mit über zwei Minuten Vorsprung vor dem Tageszweiten Edoardo Molinar.
Auf der zehnten Etappe stürzte der Belgier Romain Maes und musste umgehend ins Krankenhaus gebracht werden, wo er sofort operiert wurde.
Beim Start in Nizza wurden die Fahrer auf äußerst liebevolle Art verabschiedet. „Das ist die Liebe der Matrosen“ schallte es aus tausenden Kehlen, denen das städtische Orchester musikalische Begleitung gab. René Vietto fühlte sich heute besonders wohl, ging es doch über seinen „Hausberg“ Col de Braus, auf dem er auch prompt als Erster ankam. Obwohl unmittelbar an seinem Hinterrad Martano fuhr, der sich auch auf der Abfahrt nicht abschütteln ließ. In Monte Carlo wurden die beiden von einer unglaublichen Menschenmenge empfangen, und Schulter an Schulter fuhren sie durch ein Zuschauerspalier. Magne war weit weg. Drei Minuten lag der Träger des Gelben Trikots schon hinter ihnen. Vietto gewann mit haudünnem Vorsprung die Etappe. Antonin Magne kämpfte und konnte seinen Vorsprung in der Gesamtwertung vor Martano ebenso hauchdünn verteidigen.
Der größte Teil der 13. Etappe führte das Peloton durch die heiße vegetationslose Crau-Region in Südfrankreich. Dementsprechend dümpelte auch die Etappe dahin. Erst im Ziel wurde es hektisch und den Franzosen unterlief ein fataler Fehler. Anstatt Magne darin zu unterstützen, dass er die Etappe gewinnen konnte und damit auch die 1:30 Minute Zeitgutschrift, zog sein Kollege Speicher an ihm vorbei und sicherte sich den Tagessieg.
Auch am nächsten Tag wurde gebummelt. Das ärgerte Organisator Desgrange dermaßen, dass er im Velodrom von Perpignan ein Extrarennen austragen ließ, um den wahren Tagessieger zu ermitteln. Roger Lapébie entschied das Rennen für sich.
Immer noch angesäuert schickte Desgrange das Peloton zur 15. Etappe erst eine Stunde später auf die Reise. An den ersten Steigungen zum Mont St Louis trat Magne wuchtig an und überraschte Martano damit völlig. Magnes Kollegen formierten sich daraufhin, um die Verfolger zu bremsen. Das gelang nur für kurze Zeit, denn Magne war bald wieder eingefangen. Auf der Abfahrt vom Puymorens fuhren Vietto und Magne Seite an Seite, als Antonin bei Tempo 70 stürzte. Sofort war sein Kollege bei ihm, schraubte sein Vorderrad ab und bei Tonin ran. Sein unverletzter Kapitän konnte so weiterfahren, während der traurige Vietto auf den Materialwagen wartete. Damit hatte er seinem Kapitän das Gelbe Trikot gesichert.
Auch die 16. Etappe ging noch durch die Pyrenäen. Bis zum Anstieg des Col de Port passierte nichts und das Feld fuhr einträchtig nebeneinander. Die Wege waren mit Schlaglöchern übersät, und es war nicht leicht zu fahren. Am Col de Port sprintete Vietto dann los, Martano ging hinterher. Mit ihm noch drei Spanier, sowie Geyer und Lapébie. Aber Vietto hatte schon genug Vorsprung und zwei Kilometer unterhalb des Gipfels war er noch immer an der Spitze. Sein Kapitän Magne hatte am Col des Ares einen Kettenriss und Vietto musste sich zurückfallen lassen. Das kostete ihn den Etappensieg, sicherte seinem Kapitän aber erneut das Gelbe Trikot und ihm selber zahlreiche Sympathien im französischen Volk. Geyer wurde Neunter der Etappe.
Am nächsten Tag fuhr Antonin Magne das Rennen seines Lebens und entschied die Tour de France für sich. Der Gesamtzweite, Martano, verlor an diesem Tag 13 Minuten und war nun über 20 Minuten hinter ihm in der Gesamtwertung.
Die nächsten Etappen waren von Ereignissen nicht gerade geprägt. Auf der 19. Etappe ließ Tonin Magne sein Rad in Mont-de-Marsan nach 83 Kilometer aufs Pflaster fallen und rannte zu einer hübschen Dame. Freudig küsste er sie und brachte seine Kollegen damit zum Schmunzeln. Es stellte sich heraus, dass es Tonins Braut war, die er gleich nach der Tour ehelichen wollte. Schüchterne Ausreißversuche wurden immer wieder im Keim erstickt.
Beim zweiten Abschnitt der 21. Etappe, dem Einzelzeitfahren, kam wieder ein wenig Stimmung auf. Jeder Fahrer wurde von der ortseigenen Kappelle mit lautem Tusch verabschiedet. Stöpel hatte eine Reifenpanne und Ludwig Geyer wurde sensationell Dritter.
Die letzte Etappe nach Paris wurde eine einzige Triumphfahrt für Antonin Magne und René Vietto. Die Ausfallstraßen der Hauptstadt waren mit Menschen gesäumt, und der Prinzenpark platzte aus allen Nähten. Seit acht Uhr morgens wartete ein Großteil der Besucher schon im Stadion aus.

Sonntag, 10. Juli 2011

Urlaub im Zeichen der Tour


Seit dem Sommer 2000 sind Inge und Richard Popp jedes Jahr im Sommer bei der Tour de France zu Besuch. Während andere Anhänger zumeist in die Alpen und Pyrenäen tigern, machen es sich die beiden Bayern im Zentralmassiv gemütlich.
In elf Jahren Tour de France erlebt man so einiges und man sieht vieles. So auch die beiden Rentner, die mit ihrem Wohnmobil gerne in Frankreich unterwegs sind. Ihr Gefährt ist geschmückt, mit liebevollen Details, die ihre Radsportleidenschaft verraten. Sie jubeln jedem zu, der im Feld an ihnen vorbei fährt, egal von welcher Nationalität und aus welcher Mannschaft der emsige Radler kommt.
Ihr Zuhause ist Burgbernheim, in der Nähe von Rothenburg ob der Tauber, eines von Deutschlands beliebtesten Touristikzielen. Nachdem Richard Popp in den wohlverdienten Ruhestand schied, legten sie sich ein Wohnmobil zu und gingen fortan regelmäßig auf Reisen. Nach dem ersten Tourbesuch war klar: Da müssen wir wieder hin!
Beide sprechen kaum Französisch, haben aber keinerlei Berührungsängste. „Wenn die Franzosen merken, dass du auch nur ein Wort ihrer Sprache sprichst, dann antworten sie gleich im ganzen Wortschwall“ erzählt Richard. Schlechte Erfahrungen haben sie in alle den Jahren nicht gemacht, eher im Gegenteil „man hat uns immer geholfen, wenn wir ein wirkliches Problem hatten“ fügt Inge ein.
Gemütlich sind sie frühzeitig auf der Strecke unterwegs. Manchmal kommen sie aber auch da zu spät. Sie stehen kurz hinter dem Ortsausgang von Lavigerie, noch knappe zehn Kilometer unterhalb des Puy Mary. Aber knapp ein Kilometer weiter ist die Straße schon seit einiger Zeit gesperrt und die örtliche Gendamerie lässt da auch keinen mehr durch. „Dieser Platz ist auch herrlich. Der Ausblick ist atemberaubend und hier bekommt man doch auch alles mit“ erzählt Inge. Und so ist es. Unglaubliche Weite, unterbrochen von vereinzelten erloschenen Vulkanen, ein saftiges Grün und eine lange gerade Straße, auf dem das Peloton entgegen gerauscht kommt. Auf der Straße herrscht rege Betriebsamkeit, manche Fahrer hupen und winken. Die engen Straßen zum hinauf zum Puy Mary geben auch kaum Parkmöglichkeiten her. Ausnahmsweise ist es unten voller als oben.
Richard Popp hat seine Fahnen gehisst. „Wenn Deutsche kommen, dann sehen sie gleich, das Landsleute da sind“ erläutert er, „da hat sich schon so manch netter Kontakt ergeben.“
Ihre schönsten Erlebnisse hatten sie 2007 am französischen Nationalfeiertag. Dort waren sie südlich von Genf in Cruseilles. Da passte alles. Das Wetter, der Standplatz und die Umgebung. Ein großes Grillfest von Einheimischen fand in unmittelbarer Nähe statt, und sie waren mittendrin.
Zwischen vier und fünf Wochen sind sie in diesem Jahr unterwegs. Begonnen haben sie in der Bretagne, wo sie außerhalb von Lorient ihren ersten Standort hatten. Nun hat sie ihr Weg ins Zentralmassiv geführt, bevor sie die Tour nochmal in den Alpen besuchen. „Nein, die Pyrenäen lassen wir in diesem Jahr aus, dort ist es am Tourmalet immer zu voll“ erklärt Inge. Und auch nach Alpe d’Huez geht die Reise nicht. Irgendwo mittendrin aber doch ein wenig am Rand, dass ist ihr Lieblingsplatz.
Nachdem das Peloton dann an ihnen vorbei gekommen ist, und auch der letzte Fahrer ihr Wohnmobil passiert hat, geht es schnell rein, und der Fernseher wird angeschaltet. „Ich muss doch wissen, wer die Etappe gewinnt“ sagt Richard. „Einmal in den Pyrenäen, da haben ganz viele Basken das Wohnmobil gestürmt, und wollten die Etappe zu Ende gucken. Da konnte ich gar nichts machen“ erzählt er halb empört und halb geschmeichelt.
Solange es ihre Gesundheit zulässt, werden sie wiederkommen zur Tour und erfüllt von Eindrücken und Begegnungen sich nach jeder Heimkehr schon auf die nächste Tour de France freuen. Gute Fahrt!

Donnerstag, 7. Juli 2011

Die Stimme der Tour


Daniel Mangeas ist der Sprecher der Tour. Und das schon seit über 30 Jahren. Den Spaß an der Arbeit hat er dennoch nicht verloren.

Wenn Daniel Mangeas am Morgen aus dem offiziellen „Velo“-Auto steigt, bildet sich innerhalb kurzer Zeit eine Menschentraube um ihn. Jeder möchte ihn anfassen und die Hand schütteln. Mangeas genießt das Bad in der Menge.
Seine emotionale Stimme kennt in Frankreich jedes Kind. Seit 1974 ist Mangeas der offizielle Sprecher der Tour de France. Jeden Vormittag verwöhnt er das Publikum bei der Einschreibung mit Informationen. Er ist nahezu ein wandelndes Radsportlexikon, von jedem einzelnen Teilnehmer der Tour de France hat Mangeas die Statistik im Kopf oder Anekdoten parat. Am Vormittag ist Mangeas entspannt. Er redet langsam und macht kleine Späßchen mit den Sportlern.
Am Nachmittag, wenn er seinen Arbeitsplatz im Zielbereich bezogen hat, ist Mangeas ein bisschen angespannter. Hier kommentiert er die Etappe und vor allem den Zieleinlauf. Berühmt ist Mangeas für seine Schlusskommentation, bei der er so schnell sprechen kann, das man meinen möge, seine Stimme würde sich überschlagen. Dennoch, auch als Nichtfranzose kann man ihn immer noch verstehen, unglaublich, welch Deutlichkeit in seiner schnellen Aussprache dann noch immer liegt.
Kaum zu glauben, dass Mangeas über Stunden die Tour de France kommentieren kann, ohne sich auch nur ein einziges Mal zu wiederholen. Für ihn ist es nicht nur ein Beruf. Es ist eine wahre Berufung und seine Freude an der Arbeit merkt man ihm jeden Tag an.
Mangeas ist in der rauen Normandie zu Hause. Mit vier Jahren war er das erste Mal bei der Tour de France. Sein Großvater nahm ihn damals mit an die Strecke. Sein Berufswunsch hat sich früh gebildet, denn schon mit 15 Jahren kommentierte er sein erstes Radrennen. Von da an war er von französischen Wettkämpfen nicht mehr wegzudenken.
Gerade ist Mangeas 62 Jahre alt geworden. Ans Aufhören kann er nicht denken. Über 200 Tage ist der Normanne im Jahr unterwegs und kommentiert Radrennen auf der ganzen Welt. Gerne wird er als Stargast eingeladen, der regionalen Wettkämpfen ein bisschen Publicity bringen soll. Das gelingt auch jedes Mal.
Sein Heimatort St-Martin-de-Landelles war vor einigen Jahren Etappenort der Tour de France. Ein Geschenk der Tourorganisation an seinen engagierten Sprecher. Für Mangeas war es ein besonderes Erlebnis, das Rennen auch mal vor seiner Haustür zu begrüßen. Denn obwohl er so verbunden ist mit dem „Event Tour“, so ist er im Herzen immer ein großer Radsportfan geblieben.
Die Fahrer blicken ehrfürchtig zu ihm auf, wenn er sich am Morgen bei der Einschreibung jemanden rauspickt zum Interview. Er macht es auch Neulingen leicht bei der Tour, lächelnd und unbekümmert geht er auf jeden von ihnen zu.
Wenn er Feierabend hat, dann schont Daniel Mangeas seine Stimme. Tee, egal bei welchen Temperaturen, trinkt er gerne und ansonsten vermeidet er es zu sprechen. Ein „Hallo“ hier, ein „Bonjour“ da. Mangeas ist ein ausdrucksvoller Mensch. Er muss nicht sprechen um seine Sympathie auszudrücken, er spricht mit den Augen zu jedem. Er ist bereit sich mit Fans gemeinsam fotografieren zu lassen, Autogramme zu geben, an eine Unterhaltung ist jedoch nicht zu denken – keiner ist ihm jedoch böse.
Mangeas ist ein Mensch des Volkes geblieben. Obwohl er täglich mit den ganz Großen im Radsport zu tun hat. Sicherlich ein weiterer Grund, das ihn die Menschen lieben und ihn als ihre „Stimme der Tour“ bezeichnen.

Dienstag, 5. Juli 2011

Mur-de-Bretagne. Ein Berg der besonderen Art



Mitten in einer endlos weiten Landschaft erhebt sich die Côte de Mûr-de-Bretagne. Von weitem kaum zu erahnen, taucht sie plötzlich auf und lässt selbst Bergziegen ehrfürchtig schaudern.
Ein einziges altes Wohnhaus wacht am Beginn des Anstiegs und erträgt stoisch das beständige Rauschen an der viel befahrenen Kreuzung. Ansonsten haben sich an der Route Firmen niedergelassen, die Landmaschinen und Gartengeräte verkaufen.
Zwischen Pontivy und Guingamp liegt der überschaubare Ort Mûr-de-Bretagne, in dem es zwar auch schon ordentlich hoch und runter geht, die ahnungslosen Fahrer aber nicht darauf hinweist, welche Herausforderung vor den Toren des Ortes noch auf sie wartet. Durchschnittlich 8,5 Prozent Steigung auf 1.600 Metern hört sich vielleicht nicht gerade gigantisch an, doch weil es schnurgerade aus geht, wirkt der Anstieg wesentlich wuchtiger als bei manch höherem Berg, an dem man sich von Kurve zu Kurve ziehen kann.
Die Côte de Mûr-de-Bretagne blickt auf eine über 60 Jahre alte Tourtradition zurück. 1947 stand sie im ersten Rennen nach dem Zweiten Weltkrieg während der 19. Etappe erstmals im Tourverlauf. Es war das längste Einzelzeitfahren der Tourgeschichte, als es über 139 Kilometer von Vannes nach St-Brieuc ging. Es war zudem das Jahr, in dem der Bretone Jean Robic die Tour de France gewann. Zwar trug er das Gelbe Jersey auf der damaligen Etappe noch nicht, lag im Gesamtklassement aber auf einem aussichtsreichen fünften Platz. Auf heimischen Boden fuhr er eine gute Etappe, beflügelt von den Anfeuerungen seiner Landsleute. Das ist bis heute Grund genug, dass die Bretonen aus allen Teilen der Region an die Côte de Mûr-de-Bretagne tingeln.
1977 wurde an der Erhebung erstmals um Bergpunkte gekämpft. Bergfloh und Kletterkünstler Lucien Van Impe holte sich die volle Punktzahl und wurde erneut der beste Bergfahrer. Gewinner der Etappe war jedoch der Deutsche Klaus-Peter Thaler. Didi Thurau fuhr derweil im Gelben Trikot über die Côte de Mûr-de-Bretagne und zog zahlreiche deutsche Touristen an die Strecke. Die Straßenränder und nebenstehenden Äcker waren von fröhlichen und lautstark jubelnden Fans gesäumt.
2004 und 2006 war die Tour de France erneut zu Gast und versetzte die Region rund um die Ortschaft erneut in den Ausnahmezustand. Bauern räumten ihre Felder und verwandelten sie in Parkplätze, einige ganz fanatische Anhänger reisten schon Tage vorher an. Fast wie beim „echten“ Alpe d’Huez, wird auch beim "bretonischen Alpe d'Huez" gepinselt und gemalt, herrscht laute Begeisterung, wenn die Helden endlich über das Pflaster rollen. Ungleich des Alpe d'Huez ist die Côte de Mûr-de-Bretagne aber noch immer ein Familienberg und keine Partymeile.
Nach zwei tourlosen Jahren wurde es nach Ansicht vieler Einwohner Zeit, dass der Tour-Tross 2008 endlich wieder durch ihre Ortschaft zog. Die Côte de Mûr-de-Bretagne ist ein Insidertipp. Weit weg von der Küste gelegen, steht die Region nicht auf den klassischen Touristenrouten. Man muss ihn schon kennen, diesen mystischen Berg. Wer vor der Straßenschließung kommt, findet reichlich und gut ausgeschilderte Parkplätze. Und selbst vor Regen und Sonne kann man sich unter den üppig gewachsenen Bäumen gut verstecken. Man sieht die Fahrer schon früh am Horizont erscheinen, doch es dauert schier endlos, bis sie dann endlich an einem vorbei kommen. In diesem Jahr ist die Mûr-de-Bretagne erstmals Etappenziel. Am Vorabend wird im Ort ein bretonisches Volksfest veranstaltet. Bretonen aus allen Teilen der Region werden an die Mûr kommen und den Berg mit den traditionellen schwarz-weißen Fahnen bestücken.

Montag, 4. Juli 2011

Radsport in der Bretagne

Radsport in der Bretagne. Das ist Leidenschaft, Emotion und pure Begeisterung. Aber damit noch nicht genug: Die Bretonen stehen nicht nur voller Dynamik am Straßenrand, sondern sie radeln auch selber viel.

Meist kommt der Wind von vorne, es geht auf und ab und häufig kommt auch noch Regen dazu. Den zähen und kampfstarken Bretonen macht das nichts. Im Gegenteil, es scheint sie regelmäßig zu beflügeln, sportliche Höchstleistungen zu vollbringen.
Den Anfang machte 1891 das Langestreckenrennen Paris-Brest-Paris, das immer eher den Amateuren vorbehalten war. In höchstens 90 Stunden muss man es geschafft haben, die knapp 1.200 Kilometer von Paris nach Brest und Retour zurückzulegen. Viel Zeit für Schlaf oder Nahrungsaufnahme bleibt da nicht. Dankbar ist man dann über jegliche Unterstützung. Und darin sind die Bretonen Weltklasse. In den kleinsten Gemeinden versammeln sich Menschen, um die heldenhaften Fahrer anzufeuern oder sie mit Getränken zu versorgen – auch mitten in der Nacht. Zahlreiche Bewohner fiebern dem alle vier Jahre (auch 2011) stattfindenden Event entgegen, andere trainieren in der Zwischenzeit für ihre eigene Teilnahme. Achille Joinard, ehemaliger FFC-Präsident, fasste die Begeisterung einmal kurz und knapp zusammen: „Das Fahrrad ist ein Kind der Bretagne“.
Bei soviel Begeisterung ist es nicht verwunderlich, dass die Tour de France schon 1905 das erste Mal zu Besuch in die Bretagne kam. Rennes war der Gastgeber und Louis Trousselier wurde der erste Etappensieger in der Bretagne. Brest feierte dann 1906 seine Tourpremiere und beeindruckte die Organisatoren dabei so sehr, dass die Stadt bis 1931 regelmäßig im Tourverlauf zu finden war. Über 120 bretonische Städte waren in über 100 Tourjahren Gastgeber. So viele, wie sonst nur in den Pyrenäen- oder Alpenregionen.
Nicht verwunderlich, dass die Region auch zahlreiche bemerkenswerte Radsportler hervorgebracht hat. Lucien Petit-Breton aus der Nähe von Nantes war 1907 und 1908 der erste Zweifachsieger der Tour der France.
Ihm folgten Jean Robic 1947, der allseits umjubelte Louison Bobet 1953-1955 und Bernard Hinault 1978, 1979, 1981, 1982, 1985. Die Bretagne stellt damit 30% der französischen Toursieger! Nicht vergessen darf man allerdings René Le Grevès (Tourteilnahmen zwischen 1933 und 1939), der nach Hinault mit 16 Etappensiegen der zweitbeste bretonische Etappenjäger ist. Ronan Penzec war 1990 der letzte Bretone, der sich das Gelbe Trikot überstreifen konnte.
Radsportfans haben mehrmals im Jahr die Möglichkeit, spannende Rennen zu besuchen. Die „Tour de Bretagne“ ist ein mehrtägiges Etappenrennen und der „Grand Prix de Plumelec“ beispielsweise zieht jedes Jahr Hunderte Fans an die Strecke. Radsport überall, von Frühjahr bis Herbst.
Im Jahr 2000 richtete der überschaubare Ort Plouay, nördlich von Lorient, die Weltmeisterschaften aus. Heute kann jeder sportlich Begeisterte die original WM-Route nachfahren. Eine perfekte Beschilderung weist auch auswärtigen Besuchern den Weg. Aber Plouay steht das ganze Jahr über voll im Zeichen des Radsports. Ein relativ neues Velodrome und der Veloparc ziehen Sportler aus der ganzen Region an. Im Veloparc finden sich verschiedene Routen für Moutainbiker, sowie ein hochgelobtes Radmuseum. Die Tour de France schaute auch schon mal vorbei. 1998 und 2004 war man Etappenort.
Aktuell ist das Team „Bretagne Schuller“ die regionale Vertretung als Professional Continental Team. Joël Blevin, Emmanuel Hubert und Roger Trehin sind die Radsportverrückten Manager des Teams, das seit ihrem Bestehen 2005 schon einige Erfolge gefeiert hat. Die Vorsitzenden möchten jungen Radsportlern der Bretagne ein Sprungbrett für den Profisport bieten.
Gut 350 Kilometer zieht der Tourtross in diesem Jahr durch die Bretagne und man kann sicher sein, das die Begrüßung und die Euphorie in jedem Ort brillant sein wird und sicherlich werden sich die bretonischen Fahrer viel Mühe geben um vor heimischer Kulisse einen Etappensieg zu holen.

Freitag, 24. Juni 2011

Die Tour de France in der Bretagne - Tipps



Die Bretagne ist eine der am häufigsten besuchten Regionen Frankreichs. Obwohl sich gerade in den Sommermonaten überall an der mehr als 1.100 km langen Küste die Besucher tummeln, findet man abseits der Touristenattraktionen dennoch viele Möglichkeiten, Ruhe zu tanken. Die Landschaft könnte abwechslungsreicher nicht sein: Rau und windumtost der Norden, traditionsbelassen, aber abgelegen der Westen, sonnig sowie charmant der Süden. Der Osten wiederum markiert weltoffen und modern das „Tor der Bretagne“. Die Bretonen sind bodenständig, gastfreundlich und erfreulich tradionsbewusst. Gerade bei vielen jungen Leuten erlebt die kulturelle Tradition der Region derzeit ein ungeahntes Comeback. So erlernen beispielsweise viele von ihnen die Landessprache bretonisch („Breizh“), welche zwischenzeitlich fast ausgestorben
war. Dass die Bretonen über einen ausgeprägten Stolz verfügen, haben sie zuletzt 1997 bzw. 1998 mit ihren Protesten gegen die Kürzung der EU-Mittel bewiesen. Optisch prägt Landwirtschaft das Bild. Besonders Blumenkohl, Artischocken und Frühkartoffeln werden angebaut. An der Küste spielt natürlich der Fischfang eine große Rolle.

- Die Tour in der Bretagne Anno 1905 erreichte der Tourtross erstmals die Bretagne, und machte zugleich Halt in Rennes. Ein Jahr später drang das Peloton dann sogar bis in die westliche Küstenstadt
Brest vor. Seitdem kommt die Tour de France regelmäßig zu Besuch und versetzt die heimischen Fans in helle Aufregung. Denn - man mag es kaum glauben - die Bretonen sind das radsportbegeisterste Völkchen in ganz Frankreich! Bei Söhnen wie Bernard Hinault, Lucien Petit-Breton, Jean Robic („der Gnom aus den bretonischen Sümpfen“) oder Bobet ist dies freilich auch kein Wunder.
Hinzu kommt die Radsportlegende Paris-Brest-Paris, die nicht nur das wohl härteste Radrennen weltweit ist, sondern auch als Steigbügelhalter der Tour de France fungierte. Die Bretonen stehen aber nicht nur als Supporter am Straßenrand, sondern belegen auch in puncto „Selber-Radeln“ einen der vordersten Plätze der französischen Hitliste.
In kaum einer anderen Region warten derart viele hochkarätige Rennmaschinen in Kellern oder Schuppen auf ihren Einsatz. Da die Bretagne keineswegs ein so „plattes“ Land ist, wie man angesichts ihrer Küstenlage annehmen könnte, eignet sie sich hervorragend für den Radsport. Dennoch ist sie eher Terrain der Sprinter. Das Wetter wiederum ist ein besonderes Thema.
Die Region gilt nicht umsonst als niederschlagsreichster Landstrich Frankreichs. Hinzu kommt der Wind, der mitunter durchaus etwas heimtückisch sein kann - und „natürlich“ immer von vorne bläst. Einzelzeitfahren im strömenden Regen oder eine Zielankunft bei eisigem und stürmischem Westwind haben freilich ihren ganz besonderen Reiz. Und wer meint, solche Wetterkapriolen würde die Menschen zum Daheimbleiben animieren, der irrt. Gerade bei derartigen Bedingungen sind die Bretonen erst richtig in ihrem Element und veranstalten eine Riesenparty! 2008 wurde die Tour zum dritten Mal in der Bretagne gestartet und 2011 kommt der Tross erneut zu Besuch.

- Sehenswertes/Freizeit Zeugnisse keltischer Besiedelung gibt es in der Bretagne wahrlich an jeder Ecke zu entdecken. Megalithen, Kreisker (die typischen bretonischen Kirchtürme), Menhire und Dolmen finden sich selbst in kleinsten Ortschaften. Das größte und bekannteste Menhirenfeld liegt in Carnac im Süden der Bretagne. Knapp 2.800 mystische Steine können dort bei einer Führung besichtigt werden. Gleich um die Ecke liegt übrigens die landschaftlich sehr reizvolle Halbinsel Quiberon. Sie gilt als das beste Surfrevier der Bretagne, ist allerdings in den Sommermonaten von Touristen überlaufen. Im Norden lohnt ein Abstecher zur Côte de Granit Rose. Zwischen Perros- Guirec und Trégastel gelegen, schieben sich dort phantasievoll -
abstrakte Felsformationen ins Meer. Eine Wanderung auf den Spuren des alten Zöllnerpfades (GR34) führt an den aufregenden Klippen entlang. Ein Erlebnis der besonderen Art ist das Fußfischen („Péche á pied“). Dabei bewaffnet man sich mit Eimer, Schaufel und Netz und begibt sich bei Ebbe hinaus ins Watt, um Muscheln und Krebse einzusammeln. Diese werden abends lecker zubereitet - frischer geht’s nicht. Fußballfans sei ein Besuch des nordbretonischen Klubs „En Avant Guingamp“ empfohlen. Im heimischen „Stade Roudourou“ trifft sich am Spieltag die halbe Bretagne und macht ordentlich Stimmung (das Singen bretonischer Volkslieder ist im Stadion beispielsweise keine Seltenheit). Obwohl Guingamp „nur“ 8.000 Einwohner zählt, ist das Stadion mit 16.000 Plätzen häufig ausverkauft! Im Westen der Bretagne liegt der kleine Ort Locronan, der schon häufig als Filmkulisse diente. Wenngleich es im Sommer im mittelalterlichen Ortskern von Besuchern nur so wimmelt, ist Locronan allemal einen Blick wert. Im autofreien Zentrum (Parkplätze ausreichend vorhanden) sind heute Galerien, Ateliers und Kunsthandwerksbetriebe
untergebracht. Ein Geheimtipp an der bretonischen Küste ist das Wracktauchen. In jedem größeren Ort gibt es Tauchschulen, die gerne in die faszinierende Unterwasserwelt einweisen.

- Köstlichkeiten Neben deftigen Rindfleischgerichten (z.B King ha fars - Eintopf ) und Lammgerichten sind es vor allem Fisch und Meeresfrüchte, die in der Bretagne ganz oben auf dem Speiseplan stehen. Krusten- und Schalentiere, Moules (Muscheln), Huîtres (Austern) sowie diverse Salzwasserfische sind überall für wenig Geld zu bekommen. Als Getränk wird zumeist der aus Äpfeln gewonnene Cidre gereicht. Bretonische Nationalspeise aber sind Crêpes. Es gibt sie als süße Variante (Crêpes) oder gesalzen (Galettes). Die dünnen Pfannkuchen haben einen Stellenwert wie die Pizza in Italien, daher findet sich eine Crêperie auch nahezu an jedem Ort.

- Information Comité Régional de Tourisme, 1 rue Raoul Pouchon, 35069 Rennes, 0033 299 284430, tourismcrtb@tourismebretagne.com, www. tourismebretagne.com.
Weitere: www.cotedarmor.com, www.finisteretourisme.com, www. bretagne35.com, www. morbihan.de

entnommen aus dem neu gerade neu aufgelegten "Reiseführer Tour de France"

Dienstag, 21. Juni 2011

TOUR-PORTRÄT: Raymond Poulidor


Raymond Poulidor war während seiner aktiven Karriere der französische Radsportliebling, dabei hat er die Tour de France nie gewinnen können.

Jedes Kind in Frankreich kennt Raymond Poulidor. „Poupou“ wie ihn die Franzosen liebvoll getauft haben, ist heute mit 73 Jahren ein echter Volksheld.
Er begann seine Karriere 1960 und schon zwei Jahre später stand er im Aufgebot der Tour de France. 14 Mal ist er bei der Grand Boucle an den Start gegangen. Kein einziges Mal gewann er, keinen einzigen tag trug er das Gelbe Trikot.
Er hätte es durchaus verdient gehabt und das Potenzial die Tour de France zu gewinnen besaß „Poupou“ allemal. Sein Pech war, dass er zu Zeiten Jacques Anquetil (Toursieger 1957, 1961-1964) und Eddy Merckx fuhr. Zwar stand Raymond Poulidor am Tourende acht Mal auf dem Podium, vor ihm aber immer einer oder zwei, die besser waren als er.
Heute schmunzelt Poulidor darüber. „Nein, ich ärgere mich nicht“ sagt er, „zumindest erinnert sich jeder an mich“. Seine Freude darüber, dass er auch heute, im relativ hohen Alter von Jedermann erkannt wird, ist ehrlich.
Sieben Etappensiege feierte Poulidor und jedes Mal stand das Land Kopf vor Freude. Damals war Frankreich in zwei Fanlager geteilt: Die einen unterstützen Poulidour, die anderen Anquetil. Wobei deutlich mehr Sympathie Poulidor zuteil wurde. Im Gegensatz zu dem bodenständigen und stets freundlichen „Poupou“ war der Normanne Jacques Anquetil äußerst arrogant und eher unfreundlich. Raymond dagegen war kein Rennfahrer der aufgab, im Gegenteil: Nach jeder noch so bitteren Niederlage stand er am nächsten Tag wieder gut gelaunt und hochmotiviert am Start.
Bis heute legendär und fest in der Tourhistorie verankert ist sein Duell mit Anquetil im Jahr 1964. 55 Sekunden trennten Poulidor am Ende der Tour vom Gesamtsieg, so knapp kam er dem Gelben Trikot später nicht noch einmal. Er verlor den Toursieg am Puy-de-Dome, wo sein Rivale Anquetil schon seinen zweiten schwachen Tag hatte. Poulidor hatte seinem sportlichen Leiter Antonin Magne im Vorfeld versichert, dass er die Kehren des Vulkans auswendig kannte. Dem war aber nicht so, und somit verpasste Poulidor die Stelle, wo er am besten hätte attackieren können. Zwar hatte sich „Poupou“ am Ende der Etape bis auf 14 Sekunden an Anquetil heran gekämpft, aber er hätte dem Normannen locker die Führung entreißen können. Magne fluchte daraufhin lautstark.
Nach all den heißen Konkurrenzkämpfen, die sich die beiden über Jahre geliefert haben, liegt es jedem auf der Zunge, wie haben sich die beiden eigentlich außerhalb der Rennen verstanden? „Wir sind später wirklich Freunde geworden“ antwortet „Poupou“. Anquetil hatte kurz vor seinem Tod zu ihm gesagt „Siehst du, nun bist du schon wieder Zweiter“.
Anquetiel starb 1987 an Magenkrebs.
Poulidor selber nahm es am Ende einer Karriere alles mit Humor. 1976 drehte er für das Kaufhaus Samaritaine einen Werbesport. Frei nach dem Motto: Man kann sich jeden Wunsch erfüllen, marschiert Poulidor in ein Kaufhaus, kaufte dort ein Maillot Jaune und radelte durch die Pariser Innenstadt davon.
Seit 2001 steht Poulidor in den Diensten von Toursponsor Credit Lyonnais. An jedem Morgen sieht man ihm im Gelben Hemd lächelnd am Tisch sitzen und Hunderte Autogramme schreiben. Jeden einzelnen begrüßt er herzlich, fast wie einen alten Freund. Und wo immer er auch langgeht, da klopfen ihm die Menschen auf die Schulter. Dass„Allez Poupou“ in Frankreich seit den 1960er Jahren Synonym für Pechvogel ist, darüber kann der graumelierte Herr sich köstlich amüsieren.
In seinem Heimatort St-Léonard-de Noblat, unweit von Limoges, sind die Einwohner stolz auf ihren „Poupou“. Er nimmt am Dorfleben wie selbstverständlich teil und als 2004 der Start zur neunten Etappe im Ort stattfand, da stand der Ort Kopf. Für sie ist Raymond Poulidor zwar lediglich ein Nachbar, aber dafür der Größte den man sich vorstellen kann.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Tour d'Afrique



Die Tour d’Afrique ist das längste Radrennen der Welt. 63 abenteuerlustige Sportler fahren derzeit von Kairo nach Kapstadt. Gerade war Halbzeit in Tansania.

Knapp 12.000 Kilometer, 95 Renn- und nur 23 Ruhetage. Das ist die nackte Statistik der Tour d’Afrique, die am 15. Januar in Kairo gestartet wurde und am 14. Mai in Kapstadt ihr Ziel erreichen wird. 10 Länder werden die Fahrer dann durchquert, dabei Abenteuer erlebt und persönliche Grenzen überwunden haben. Mitten drin auch Hardy Grüne, Fußballbuchautor aus Deutschland und seit Jahren ambitionierter Hobbyradler. Der 48-jährige Göttinger nimmt sich mit diesem ungewöhnlichen Urlaub eine Auszeit aus dem Alltag. „Ich brauchte mal einen richtigen Break in meinem Leben“, sagt Grüne. Man bezahlt dafür, dass man täglich mindestens 123km auf dem Rad sitzen und den afrikanischen Kontinent auf Geröllpisten, Sandwegen oder mit Schlaglöchern übersäten Asphaltstraßen durchqueren darf. Es gibt drei Mahlzeiten am Tag, dazu reichlich Powerriegel. Das Gepäck wird im Truck transportiert, aber sein Zelt muss man auch nach regennassen 8 Stunden im Sattel selber aufbauen. Privatsphäre gibt es keine, meistens kein fließend Wasser und Toiletten sind ein Luxusgut. „Man kann sich nicht vorbereiten. Man kann auf dem Rad trainieren, ins Fitness-Studio gehen, lernen, sein Rad zu flicken. Aber auf die Erlebnisse, die man hier erfährt, kann man sich weder mental noch körperlich vorbereiten“, zieht Hardy Grüne sein persönliches Fazit nach zwei Monaten im Sattel. Bevor es nun im tansanischen Mbeya drei Tage Urlaub von den Strapazen gab, begann auch die Regenzeit. „Acht Tage Off-Road, nur Schlamm und Regen. Das alleine reicht eigentlich schon. Aber wenn du dich dann nicht mal waschen kannst, geschweige denn auch nur noch ein trockenes Kleidungsstück besitzt, dein Zelt durchgeweicht ist, dann hat man seine persönlichen Grenzen schnell erreicht.“
Organisiert wird die Reise von einem kanadischen Unternehmen. Die „Tour d’Afrique LTD“ startete 2003 die erste Tour in Kairo mit 33 Teilnehmern. Seitdem hat sich die Firma stetig vergrößert und bietet auch andere außergewöhnliche Radreisen an. Bei der Afrikatour sind sechs Festangestellte und zahlreiche Helfer dabei. Neben einem LKW, der außer dem Gepäck der Fahrer auch Verpflegung und Räder transportiert, sind einige Kleinbusse im Aufgebot. Zudem gehören ein Arzt und ein Mechaniker zum Team. „Die Organisatoren sehen sich als Hilfesteller“, sagt Grüne. „Wir müssen uns um alles selber kümmern, haben aber die Möglichkeit, uns bei Fragen ans Team zu wenden. Wenn mein Rad kaputt ist, dann stellen sie mir das Werkzeug, reparieren muss ich es alleine, es sei denn, ich komme wirklich nicht weiter. Auch um die Visa musste sich jeder Teilnehmer selber kümmern. Wir können uns aber darauf verlassen, dass es drei Mahlzeiten am Tag gibt, und die schmecken ausnahmslos grandios“, erzählt er weiter. „Und es gibt natürlich auch ein gutes Gefühl, wenn du vor Erschöpfung nicht weiterfahren kannst und weißt, irgendwann kommt halt noch der Besenwagen und du kannst dich einfach ins Camp fahren lassen.“
Gestartet wird jeden Morgen um sechs Uhr – wegen der Hitze. Wenn dann am frühen Nachmittag das Camp erreicht ist, wird die restliche Tageszeit zum Radputzen und Regenerieren verwendet. „Der Abend ist früh zu Ende, um acht schlafen alle schon“, berichtet Grüne.
Die Teilnehmer der Tour d’Afrique kommen von überall her. Von den 63 Startern sind 28 für das eigentliche Rennen gemeldet. Alle anderen fahren zeitlos. Jede Etappe wird gewertet, zusätzlich gibt es Einzelzeitfahren und Bergpreise. Besonders heiß ist jeder Teilnehmer auf den Gewinn des „EFI“. Aus dieser Wertung, jeden Zentimeter der Tour („Every Fabulous Inch“, im Camp nur „Every Fucking Inch“ genannt) geradelt zu sein, sind mittlerweile aber die Hälfte der Fahrer schon ausgeschieden. Körperliche Schwächen oder Materialschäden zwangen viele, zumindest eine Etappe vorzeitig zu beenden oder einfach mal einen Tag im Truck mitzufahren. Zu gewinnen gibt es am Ende der Tour nichts. Zwar werden in einer feierlichen Abschlusszeremonie Kapstadt die Gesamtsieger Männer/Frauen gekürt, ebenso der schnellste Etappenfahrer und der Gewinner/in des EFI. Aber außer einer Urkunde und einem Trikot für jeden Teilnehmer gibt es keinerlei materiellen Gewinn. Das Abenteuer an sich ist für jeden Fahrer die größte Belohnung.
Hardy Grüne kommt durchnässt ins Camp. „Das war der härteste Tag in meinem Leben“, sagt er. „Wieder einmal. Das habe ich in den letzten Wochen schon so häufig gesagt. Aber ich werde es vermissen. Morgens mit der Schaufel hinters Zelt zu gehen, um mein Geschäft zu verrichten, dass mir der Hintern schmerzt, dreckige Klamotten. Freuen tue ich mich jetzt allerdings schon auf das erste Fußballspiel meiner Göttinger 05er und meine heimische Radstrecke.“