Dienstag, 21. Juni 2011

TOUR-PORTRÄT: Raymond Poulidor


Raymond Poulidor war während seiner aktiven Karriere der französische Radsportliebling, dabei hat er die Tour de France nie gewinnen können.

Jedes Kind in Frankreich kennt Raymond Poulidor. „Poupou“ wie ihn die Franzosen liebvoll getauft haben, ist heute mit 73 Jahren ein echter Volksheld.
Er begann seine Karriere 1960 und schon zwei Jahre später stand er im Aufgebot der Tour de France. 14 Mal ist er bei der Grand Boucle an den Start gegangen. Kein einziges Mal gewann er, keinen einzigen tag trug er das Gelbe Trikot.
Er hätte es durchaus verdient gehabt und das Potenzial die Tour de France zu gewinnen besaß „Poupou“ allemal. Sein Pech war, dass er zu Zeiten Jacques Anquetil (Toursieger 1957, 1961-1964) und Eddy Merckx fuhr. Zwar stand Raymond Poulidor am Tourende acht Mal auf dem Podium, vor ihm aber immer einer oder zwei, die besser waren als er.
Heute schmunzelt Poulidor darüber. „Nein, ich ärgere mich nicht“ sagt er, „zumindest erinnert sich jeder an mich“. Seine Freude darüber, dass er auch heute, im relativ hohen Alter von Jedermann erkannt wird, ist ehrlich.
Sieben Etappensiege feierte Poulidor und jedes Mal stand das Land Kopf vor Freude. Damals war Frankreich in zwei Fanlager geteilt: Die einen unterstützen Poulidour, die anderen Anquetil. Wobei deutlich mehr Sympathie Poulidor zuteil wurde. Im Gegensatz zu dem bodenständigen und stets freundlichen „Poupou“ war der Normanne Jacques Anquetil äußerst arrogant und eher unfreundlich. Raymond dagegen war kein Rennfahrer der aufgab, im Gegenteil: Nach jeder noch so bitteren Niederlage stand er am nächsten Tag wieder gut gelaunt und hochmotiviert am Start.
Bis heute legendär und fest in der Tourhistorie verankert ist sein Duell mit Anquetil im Jahr 1964. 55 Sekunden trennten Poulidor am Ende der Tour vom Gesamtsieg, so knapp kam er dem Gelben Trikot später nicht noch einmal. Er verlor den Toursieg am Puy-de-Dome, wo sein Rivale Anquetil schon seinen zweiten schwachen Tag hatte. Poulidor hatte seinem sportlichen Leiter Antonin Magne im Vorfeld versichert, dass er die Kehren des Vulkans auswendig kannte. Dem war aber nicht so, und somit verpasste Poulidor die Stelle, wo er am besten hätte attackieren können. Zwar hatte sich „Poupou“ am Ende der Etape bis auf 14 Sekunden an Anquetil heran gekämpft, aber er hätte dem Normannen locker die Führung entreißen können. Magne fluchte daraufhin lautstark.
Nach all den heißen Konkurrenzkämpfen, die sich die beiden über Jahre geliefert haben, liegt es jedem auf der Zunge, wie haben sich die beiden eigentlich außerhalb der Rennen verstanden? „Wir sind später wirklich Freunde geworden“ antwortet „Poupou“. Anquetil hatte kurz vor seinem Tod zu ihm gesagt „Siehst du, nun bist du schon wieder Zweiter“.
Anquetiel starb 1987 an Magenkrebs.
Poulidor selber nahm es am Ende einer Karriere alles mit Humor. 1976 drehte er für das Kaufhaus Samaritaine einen Werbesport. Frei nach dem Motto: Man kann sich jeden Wunsch erfüllen, marschiert Poulidor in ein Kaufhaus, kaufte dort ein Maillot Jaune und radelte durch die Pariser Innenstadt davon.
Seit 2001 steht Poulidor in den Diensten von Toursponsor Credit Lyonnais. An jedem Morgen sieht man ihm im Gelben Hemd lächelnd am Tisch sitzen und Hunderte Autogramme schreiben. Jeden einzelnen begrüßt er herzlich, fast wie einen alten Freund. Und wo immer er auch langgeht, da klopfen ihm die Menschen auf die Schulter. Dass„Allez Poupou“ in Frankreich seit den 1960er Jahren Synonym für Pechvogel ist, darüber kann der graumelierte Herr sich köstlich amüsieren.
In seinem Heimatort St-Léonard-de Noblat, unweit von Limoges, sind die Einwohner stolz auf ihren „Poupou“. Er nimmt am Dorfleben wie selbstverständlich teil und als 2004 der Start zur neunten Etappe im Ort stattfand, da stand der Ort Kopf. Für sie ist Raymond Poulidor zwar lediglich ein Nachbar, aber dafür der Größte den man sich vorstellen kann.

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