Freitag, 24. Juni 2011

Die Tour de France in der Bretagne - Tipps



Die Bretagne ist eine der am häufigsten besuchten Regionen Frankreichs. Obwohl sich gerade in den Sommermonaten überall an der mehr als 1.100 km langen Küste die Besucher tummeln, findet man abseits der Touristenattraktionen dennoch viele Möglichkeiten, Ruhe zu tanken. Die Landschaft könnte abwechslungsreicher nicht sein: Rau und windumtost der Norden, traditionsbelassen, aber abgelegen der Westen, sonnig sowie charmant der Süden. Der Osten wiederum markiert weltoffen und modern das „Tor der Bretagne“. Die Bretonen sind bodenständig, gastfreundlich und erfreulich tradionsbewusst. Gerade bei vielen jungen Leuten erlebt die kulturelle Tradition der Region derzeit ein ungeahntes Comeback. So erlernen beispielsweise viele von ihnen die Landessprache bretonisch („Breizh“), welche zwischenzeitlich fast ausgestorben
war. Dass die Bretonen über einen ausgeprägten Stolz verfügen, haben sie zuletzt 1997 bzw. 1998 mit ihren Protesten gegen die Kürzung der EU-Mittel bewiesen. Optisch prägt Landwirtschaft das Bild. Besonders Blumenkohl, Artischocken und Frühkartoffeln werden angebaut. An der Küste spielt natürlich der Fischfang eine große Rolle.

- Die Tour in der Bretagne Anno 1905 erreichte der Tourtross erstmals die Bretagne, und machte zugleich Halt in Rennes. Ein Jahr später drang das Peloton dann sogar bis in die westliche Küstenstadt
Brest vor. Seitdem kommt die Tour de France regelmäßig zu Besuch und versetzt die heimischen Fans in helle Aufregung. Denn - man mag es kaum glauben - die Bretonen sind das radsportbegeisterste Völkchen in ganz Frankreich! Bei Söhnen wie Bernard Hinault, Lucien Petit-Breton, Jean Robic („der Gnom aus den bretonischen Sümpfen“) oder Bobet ist dies freilich auch kein Wunder.
Hinzu kommt die Radsportlegende Paris-Brest-Paris, die nicht nur das wohl härteste Radrennen weltweit ist, sondern auch als Steigbügelhalter der Tour de France fungierte. Die Bretonen stehen aber nicht nur als Supporter am Straßenrand, sondern belegen auch in puncto „Selber-Radeln“ einen der vordersten Plätze der französischen Hitliste.
In kaum einer anderen Region warten derart viele hochkarätige Rennmaschinen in Kellern oder Schuppen auf ihren Einsatz. Da die Bretagne keineswegs ein so „plattes“ Land ist, wie man angesichts ihrer Küstenlage annehmen könnte, eignet sie sich hervorragend für den Radsport. Dennoch ist sie eher Terrain der Sprinter. Das Wetter wiederum ist ein besonderes Thema.
Die Region gilt nicht umsonst als niederschlagsreichster Landstrich Frankreichs. Hinzu kommt der Wind, der mitunter durchaus etwas heimtückisch sein kann - und „natürlich“ immer von vorne bläst. Einzelzeitfahren im strömenden Regen oder eine Zielankunft bei eisigem und stürmischem Westwind haben freilich ihren ganz besonderen Reiz. Und wer meint, solche Wetterkapriolen würde die Menschen zum Daheimbleiben animieren, der irrt. Gerade bei derartigen Bedingungen sind die Bretonen erst richtig in ihrem Element und veranstalten eine Riesenparty! 2008 wurde die Tour zum dritten Mal in der Bretagne gestartet und 2011 kommt der Tross erneut zu Besuch.

- Sehenswertes/Freizeit Zeugnisse keltischer Besiedelung gibt es in der Bretagne wahrlich an jeder Ecke zu entdecken. Megalithen, Kreisker (die typischen bretonischen Kirchtürme), Menhire und Dolmen finden sich selbst in kleinsten Ortschaften. Das größte und bekannteste Menhirenfeld liegt in Carnac im Süden der Bretagne. Knapp 2.800 mystische Steine können dort bei einer Führung besichtigt werden. Gleich um die Ecke liegt übrigens die landschaftlich sehr reizvolle Halbinsel Quiberon. Sie gilt als das beste Surfrevier der Bretagne, ist allerdings in den Sommermonaten von Touristen überlaufen. Im Norden lohnt ein Abstecher zur Côte de Granit Rose. Zwischen Perros- Guirec und Trégastel gelegen, schieben sich dort phantasievoll -
abstrakte Felsformationen ins Meer. Eine Wanderung auf den Spuren des alten Zöllnerpfades (GR34) führt an den aufregenden Klippen entlang. Ein Erlebnis der besonderen Art ist das Fußfischen („Péche á pied“). Dabei bewaffnet man sich mit Eimer, Schaufel und Netz und begibt sich bei Ebbe hinaus ins Watt, um Muscheln und Krebse einzusammeln. Diese werden abends lecker zubereitet - frischer geht’s nicht. Fußballfans sei ein Besuch des nordbretonischen Klubs „En Avant Guingamp“ empfohlen. Im heimischen „Stade Roudourou“ trifft sich am Spieltag die halbe Bretagne und macht ordentlich Stimmung (das Singen bretonischer Volkslieder ist im Stadion beispielsweise keine Seltenheit). Obwohl Guingamp „nur“ 8.000 Einwohner zählt, ist das Stadion mit 16.000 Plätzen häufig ausverkauft! Im Westen der Bretagne liegt der kleine Ort Locronan, der schon häufig als Filmkulisse diente. Wenngleich es im Sommer im mittelalterlichen Ortskern von Besuchern nur so wimmelt, ist Locronan allemal einen Blick wert. Im autofreien Zentrum (Parkplätze ausreichend vorhanden) sind heute Galerien, Ateliers und Kunsthandwerksbetriebe
untergebracht. Ein Geheimtipp an der bretonischen Küste ist das Wracktauchen. In jedem größeren Ort gibt es Tauchschulen, die gerne in die faszinierende Unterwasserwelt einweisen.

- Köstlichkeiten Neben deftigen Rindfleischgerichten (z.B King ha fars - Eintopf ) und Lammgerichten sind es vor allem Fisch und Meeresfrüchte, die in der Bretagne ganz oben auf dem Speiseplan stehen. Krusten- und Schalentiere, Moules (Muscheln), Huîtres (Austern) sowie diverse Salzwasserfische sind überall für wenig Geld zu bekommen. Als Getränk wird zumeist der aus Äpfeln gewonnene Cidre gereicht. Bretonische Nationalspeise aber sind Crêpes. Es gibt sie als süße Variante (Crêpes) oder gesalzen (Galettes). Die dünnen Pfannkuchen haben einen Stellenwert wie die Pizza in Italien, daher findet sich eine Crêperie auch nahezu an jedem Ort.

- Information Comité Régional de Tourisme, 1 rue Raoul Pouchon, 35069 Rennes, 0033 299 284430, tourismcrtb@tourismebretagne.com, www. tourismebretagne.com.
Weitere: www.cotedarmor.com, www.finisteretourisme.com, www. bretagne35.com, www. morbihan.de

entnommen aus dem neu gerade neu aufgelegten "Reiseführer Tour de France"

Dienstag, 21. Juni 2011

TOUR-PORTRÄT: Raymond Poulidor


Raymond Poulidor war während seiner aktiven Karriere der französische Radsportliebling, dabei hat er die Tour de France nie gewinnen können.

Jedes Kind in Frankreich kennt Raymond Poulidor. „Poupou“ wie ihn die Franzosen liebvoll getauft haben, ist heute mit 73 Jahren ein echter Volksheld.
Er begann seine Karriere 1960 und schon zwei Jahre später stand er im Aufgebot der Tour de France. 14 Mal ist er bei der Grand Boucle an den Start gegangen. Kein einziges Mal gewann er, keinen einzigen tag trug er das Gelbe Trikot.
Er hätte es durchaus verdient gehabt und das Potenzial die Tour de France zu gewinnen besaß „Poupou“ allemal. Sein Pech war, dass er zu Zeiten Jacques Anquetil (Toursieger 1957, 1961-1964) und Eddy Merckx fuhr. Zwar stand Raymond Poulidor am Tourende acht Mal auf dem Podium, vor ihm aber immer einer oder zwei, die besser waren als er.
Heute schmunzelt Poulidor darüber. „Nein, ich ärgere mich nicht“ sagt er, „zumindest erinnert sich jeder an mich“. Seine Freude darüber, dass er auch heute, im relativ hohen Alter von Jedermann erkannt wird, ist ehrlich.
Sieben Etappensiege feierte Poulidor und jedes Mal stand das Land Kopf vor Freude. Damals war Frankreich in zwei Fanlager geteilt: Die einen unterstützen Poulidour, die anderen Anquetil. Wobei deutlich mehr Sympathie Poulidor zuteil wurde. Im Gegensatz zu dem bodenständigen und stets freundlichen „Poupou“ war der Normanne Jacques Anquetil äußerst arrogant und eher unfreundlich. Raymond dagegen war kein Rennfahrer der aufgab, im Gegenteil: Nach jeder noch so bitteren Niederlage stand er am nächsten Tag wieder gut gelaunt und hochmotiviert am Start.
Bis heute legendär und fest in der Tourhistorie verankert ist sein Duell mit Anquetil im Jahr 1964. 55 Sekunden trennten Poulidor am Ende der Tour vom Gesamtsieg, so knapp kam er dem Gelben Trikot später nicht noch einmal. Er verlor den Toursieg am Puy-de-Dome, wo sein Rivale Anquetil schon seinen zweiten schwachen Tag hatte. Poulidor hatte seinem sportlichen Leiter Antonin Magne im Vorfeld versichert, dass er die Kehren des Vulkans auswendig kannte. Dem war aber nicht so, und somit verpasste Poulidor die Stelle, wo er am besten hätte attackieren können. Zwar hatte sich „Poupou“ am Ende der Etape bis auf 14 Sekunden an Anquetil heran gekämpft, aber er hätte dem Normannen locker die Führung entreißen können. Magne fluchte daraufhin lautstark.
Nach all den heißen Konkurrenzkämpfen, die sich die beiden über Jahre geliefert haben, liegt es jedem auf der Zunge, wie haben sich die beiden eigentlich außerhalb der Rennen verstanden? „Wir sind später wirklich Freunde geworden“ antwortet „Poupou“. Anquetil hatte kurz vor seinem Tod zu ihm gesagt „Siehst du, nun bist du schon wieder Zweiter“.
Anquetiel starb 1987 an Magenkrebs.
Poulidor selber nahm es am Ende einer Karriere alles mit Humor. 1976 drehte er für das Kaufhaus Samaritaine einen Werbesport. Frei nach dem Motto: Man kann sich jeden Wunsch erfüllen, marschiert Poulidor in ein Kaufhaus, kaufte dort ein Maillot Jaune und radelte durch die Pariser Innenstadt davon.
Seit 2001 steht Poulidor in den Diensten von Toursponsor Credit Lyonnais. An jedem Morgen sieht man ihm im Gelben Hemd lächelnd am Tisch sitzen und Hunderte Autogramme schreiben. Jeden einzelnen begrüßt er herzlich, fast wie einen alten Freund. Und wo immer er auch langgeht, da klopfen ihm die Menschen auf die Schulter. Dass„Allez Poupou“ in Frankreich seit den 1960er Jahren Synonym für Pechvogel ist, darüber kann der graumelierte Herr sich köstlich amüsieren.
In seinem Heimatort St-Léonard-de Noblat, unweit von Limoges, sind die Einwohner stolz auf ihren „Poupou“. Er nimmt am Dorfleben wie selbstverständlich teil und als 2004 der Start zur neunten Etappe im Ort stattfand, da stand der Ort Kopf. Für sie ist Raymond Poulidor zwar lediglich ein Nachbar, aber dafür der Größte den man sich vorstellen kann.