Dienstag, 2. November 2010

Rene Vietto: Der vergessene Held

Als René Vietto 1934 an den Tourstart ging war er ein Nobody. Während der Rundfahrt verzückte er ganz Frankreich und war wurde zum neue Star am Radsporthimmel.
Für die Franzosen war René Vietto 1934 der eigentliche Toursieger. Obwohl mit Antonin Magne ein beliebter und sympathischer Franzose an der Spitze der Gesamtwertung stand, wurde vor allem Vietto im Pariser Prinzenpark bejubelt.
Es war seine erste Tourteilnahme, und er stand im Aufgebot der französischen Nationalmannschaft, deren Kapitän Magne war.
Drei Jahre zuvor hatte Vietto seinen ersten Sieg bei einem Radrennen errungen, dem „Boucles de Sospel“. Dort in den Bergen hinter Cannes und Monaco kannte sich Vietto bestens aus. Er war in Rocheville zu Hause, lebte dort mit seiner Mutter seit seiner Geburt. Später wurde er Liftboy in einem Hotel in Cannes und bewältigte den täglichen Arbeitsweg mit dem Rad. Bergauf und bergab. Der Lohn war eine gute Fitness und beste Kletterqualitäten. Dennoch fuhr Vietto zu dieser Zeit nur Rennen, um sein mageres Gehalt als Liftboy aufzubessern. Erst der italienische Radrennfahrer Alfredo Binda brachte ihn auf die Idee, sein Hobby zum Beruf zu machen. Er war eines Tages zu Besuch im Hotel gewesen und hatte das Potenzial des Franzosen erkannt. Die beiden trainierten ab sofort gemeinsam, und Viettos Talent wurde effektiv gefördert.
1934 ging Vietto voller Hoffnung und hoch motiviert an den Tourstart. Auf der ersten Etappe machte er gleich auf sich aufmerksam. Während Roger Lapèbie einen Ausreißversuch startete, reagierte Vietto als Einziger und ging hinterher. Und als sein Kapitän Antonin Magne am zweiten Tag ins Gelbe Trikot schlüpfte, war die Marschroute der Mannschaft klar: Verteidigen.
Das klappte in den nächsten Tagen gut. Am siebten Tag zeigte Vietto dann seine wahren Qualitäten. Er fuhr über 50 Kilometer alleine durch die Alpen, erklomm mit unglaublicher Leichtigkeit einen Gipfel nach dem anderen. Am Ende stand der hochverdiente Etappensieg in Digne-les-Bains.
Die zehnte Etappe startete in Nizza und führte nach Cannes. Seinen Hausberg Col de Braus erklomm er als Erster, auf der Abfahrt gesellte sich dann Guiseppe Martano zu ihm. Als die beiden in Monte Carlo einfuhren, Schulter an Schulter, wurden sie von einer begeisterten Menschenmenge empfangen. Vietto gewann die Etappe knapp vor dem Italiener.
Auf der 15. Etappe stürzte Magne auf der Abfahrt vom Col du Puymorens. Vietto war als Erster auf dem Gipfel gewesen und auf dem besten Weg, einen weiteren Etappensieg zu landen, als er den Befehl bekam, umzudrehen. Vietto tat wie ihm befohlen. Bei Magne angekommen, baute er sein Vorderrad aus und schraubte es bei seinem Kapitän ans Rad. Er selber musste auf den Materialwagen warten. Durch diese Geste behielt Magne das Gelbe Trikot, sich selber hatte er jedoch jede Chance auf den Tagessieg genommen. Völlig demoralisiert und weinend saß Vietto am Straßenrand. Bei seiner Zieleinfahrt in Ax-les-Thermes wurde er lautstark empfangen, voller Respekt. Die Menschen hatten sich in ihn verliebt.
Magne hatte in den nächsten Tagen keine Mühe mehr, die Gesamtführung zu verteidigen. Viettos Trost blieb der Gewinn der Bergwertung. Die Franzosen wussten, wem sie den Toursieg zu verdanken hatten, und auch Magne vergaß das nicht. Im Pariser Prinzenpark nahm sich Magne zurück und überließ seinem Retter den Applaus der Ehrenrunde.
Vietto nahm noch sieben Mal an der Tour de France teil, aber seine Karriere war nicht von Glück geprägt. Drei Knieoperationen warfen ihn immer wieder zurück, und bei der Tour 1939, die er als Zweiter beendete, verlor er auf der 15. Etappe das Gelbe Trikot auf traurige Weise. Als er einen Schaden an seiner Bremse beheben musste, griff sein Konkurrent Sylvère Maes an. Am Ende des Tages hatte er 15 Minuten Rückstand auf den Führenden.
René Vietto starb 1988. Heute erinnert an ihn ein Denkmal am Col de Braus.

Keine Kommentare: